Vorbeugende Behandlung mit Antibiotika vor vielen Operationen kontraproduktiv

Asymptomatische Bakteriurie

DGI warnt vor häufigem Fehleinsatz von Antibiotika bei Gelenkersatzoperationen

Köln
– Gelenkersatzoperationen, etwa der Einsatz einer Hüftprothese, gehören
zu den häufigsten Eingriffen in Deutschland. Um das Risiko einer
Gelenkinfektion zu verringern, erhalten viele Patienten vor dem Eingriff
Antibiotika. In manchen Fällen überflüssigerweise – beispielsweise,
weil im Urin des Patienten Bakterien gefunden werden. Sofern ein Patient
keine Symptome einer Harnwegsinfektion aufweist, sind Bakterien im Urin
nur in den seltensten Fällen behandlungsbedürftig. Dennoch wird bei der
sogenannten asymptomatischen Bakteriurie (ASB) oft unnötigerweise
Antibiotika verabreicht. Eine aktuelle Meta-Analyse zeigt: Es gibt keine
Belege dafür, dass eine Antibiotikabehandlung der ASB vor
Gelenkoperationen die Rate von Gelenkinfektionen senken kann. Darauf
weisen die Experten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI)
hin. Um die Entstehung von Antibiotikaresistenzen zu reduzieren, setzt
sich die Fachgesellschaft unter anderem in ihrer Antibiotic
Stewardship-Kampagne für einen rationalen Einsatz von Antibiotika ein.

Für
die aktuelle Metaanalyse werteten Wissenschaftler acht internationale
Studien zur ASB-Therapie bei endoprothetischen Eingriffen aus. Das
Ergebnis: Weder das Screening auf Bakterien im Urin noch die dann oft
folgende Antibiotikabehandlung bringt einen Vorteil. Die Rate an
Protheseninfektionen wird dadurch nicht beeinflusst. (1) „Wir empfehlen
Kliniken deshalb auch, bei Gelenkprothesen-Patienten keine
ASB-Screenings durchzuführen“, so Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer,
DGI-Präsident und Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere
Medizin am Universitätsklinikum Köln. „Statt dem Patienten zu nutzen,
hat dieses Vorgehen oft lediglich einen überflüssigen Einsatz von
Antibiotika zur Folge.“ Angesichts der hohen Operationszahlen sei in der
Endoprothetik der rationale Einsatz von Antibiotika von besonderer
Relevanz.

Nicht
nur bei Gelenkoperationen – auch sonst erfolgt bei der asymptomatischen
Bakteriurie oft unnötigerweise eine Therapie. Sie gehört zu den
häufigsten Fehlindikationen bei der Verwendung von Antibiotika. In einer
Metaanalyse, die 2017 im Fachblatt Open Forum Infectious Diseases
erschien, wurden internationale Studien zur ASB-Behandlung aus den
vergangenen 15 Jahren ausgewertet. In dieser Zeit wurden
durchschnittlich 45 Prozent aller Patienten mit ASB unnötigerweise mit
Antibiotika behandelt. (2)

Tatsächlich
sei es jedoch nicht immer einfach, die nicht-behandlungsbedürftige
asymptomatische Bakteriurie von einer behandlungsbedürftigen
Harnwegsinfektion zu unterscheiden, räumt der DGI-Präsident ein.
Entscheidend seien auch hier eine gründliche Anamnese und die klinische
Untersuchung, Anzeichen für eine Harnwegsinfektion seien üblicherweise
häufiger Harndrang oder Schmerzen beim Wasserlassen. Speziell ältere und
multimorbide Patienten hätten mitunter jedoch unspezifische
Beschwerden, die als Symptome einer Harnwegsinfektion fehlgedeutet
werden könnten. „Dies ist – neben einem falschen Sicherheitsdenken – ein
häufiger Grund für die Übertherapie der ASB.“

Umso
mehr Bedeutung komme deshalb Antibiotic Stewardship zu, also Programmen
zur Gewährleistung einer optimalen Antibiotikatherapie in Kliniken.
Diese beinhalten etwa Schulungen und Beratungen durch
Infektionsspezialisten. Wie erfolgreich schon vergleichsweise einfache
Maßnahmen sein können, zeigt auch die Metaanalyse von Flokas und seinen
Co-Autoren: Durch Schulungen und Feedback-Gespräche etwa sank die Zahl
der unnötigen Antibiotikagaben bei ASB in einigen Studien um bis zu 80
Prozent. (2) „Wenn der rationale Einsatz von Antibiotika und damit die
Eindämmung von Resistenzen gelingen soll, dann ist der Ausbau von
Antibiotic Stewardship-Programmen und von infektiologischer Expertise in
der Versorgung unabdingbar“, so Fätkenheuer.

Literatur:

(1) Zhang et al.:

Research progress of asymptomatic bacteriuria before arthroplasty

Medicine (2018) 97:7(e9810). http://dx.doi.org/10.1097/MD.0000000000009810

(2) Flokas et al.: