Volkskrankheit Osteoporose: keine reine Frauensache

Volkskrankheit Osteoporose: keine reine Frauensache

Vielversprechende neue Medikamente stehen kurz vor der Zulassung

Bonn – Etwa sechs
Millionen Frauen und Männer in Deutschland sind mit einem erhöhten
Risiko für Knochenbrüche konfrontiert, weil sie an Osteoporose leiden.
Zur Behandlung gibt es gute Medikamente. Allerdings werden viel zu
wenige Menschen mit Osteoporose medikamentös behandelt, selbst wenn sie
bereits mehrfach Brüche hatten, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für
Endokrinologie (DGE) im Vorfeld ihres 61. Kongresses für Endokrinologie
(14. bis 16. März 2018) in Bonn. Über diese Versorgungslücke und über
neue vielversprechende Wirkstoffe, mit denen die Gefahr für
Knochenbrüche bei Risikopatienten reduziert werden kann, diskutieren
Experten der DGE auf der Kongress-Pressekonferenz am 14. März 2018.

Bei
der Osteoporose kommt es zum „Knochenschwund“, das heißt, die
Knochendichte nimmt ab und das Risiko für Knochenbrüche nimmt zu. Obwohl
80 Prozent der Osteoporose-Patienten Frauen nach den Wechseljahren
sind, ist es keine reine Frauenkrankheit. Die Folgen der Knochenbrüche
sind oft gravierend: „Die eingeschränkte Mobilität führt zum Beispiel
nach einem Oberschenkelhalsbruch häufig zu einer Einweisung ins
Pflegeheim und zwanzig Prozent der Menschen mit einem
Oberschenkelhalsbruch sterben direkt oder indirekt daran“, warnt
Professor Dr. med. Heide Siggelkow, Mitglied im Vorstand der Deutschen
Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).

Um
das eigene Risiko für eine Osteoporose zu minimieren, kann jeder etwas
tun, betont Professor Siggelkow, Fachärztin für Innere Medizin,
Endokrinologie und Diabetologie und Ärztliche Leiterin des MVZ
endokrinologikum Göttingen: Gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung,
wenig Alkohol und der Verzicht auf Nikotin gehören zu einer guten
Prävention. Prinzipiell sei aber auch ein ausgeglichener Vitamin D- und
Kalziumhaushalt für die Knochengesundheit wichtig, ergänzt die
Internistin.

Andere
Risikofaktoren wie eine entsprechende genetische Veranlagung, das Alter
oder Geschlecht und bestimmte Vorerkrankungen kann man nicht
beeinflussen. „Es ist wichtig, mithilfe dieser und anderer Faktoren die
Patienten zu identifizieren, die ein deutlich erhöhtes Bruchrisiko
haben, und sie dann vorsorglich medikamentös zu behandeln“, erklärt
Siggelkow. „Leider werden in Deutschland viel zu wenige Menschen mit
Osteoporose – selbst nach mehrfachen Brüchen – medikamentös behandelt.“

Dabei
stehen zur Prophylaxe diverse Wirkstoffe zur Verfügung, die
Knochenbrüche bei stark gefährdeten Patienten drastisch reduzieren
können. Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Medikamenten: den
Knochenabbau hemmende sowie den Knochenaufbau unterstützende
Medikamente. Zur ersten Gruppe gehören beispielsweise Raloxifen,
Bisphosphonate und Denosumab.
Der
Antikörper Denosumab blockiert im Knochen das Signalprotein RANKL
(Receptor Activator of NF-kappaB Ligand), das die Bildung und Aktivität
von Osteoklasten, der „Knochenabbauer“, fördert. Professor Siggelkow
erläutert: „Das Ergebnis ist eine Hemmung des Knochenabbaus durch die
Osteoklasten und damit eine Steigerung der Knochendichte.“

Zur
zweiten Gruppe der knochenaufbauenden Medikamente zählt Teriparatid,
das mit dem menschlichen Parathormon verwandt ist. Gleichfalls anabol –
den Knochenaufbau unterstützend – wirken zwei neue, sehr
vielversprechende Wirkstoffe: das Hormon-Analogon Abaloparatid, das an
der gleichen Stelle wie Teriparatid wirkt, die Anzahl der Knochenbrüche
aber stärker senkt, sowie der Wirkstoff Remosozumab. Dabei handelt es
sich um einen Antikörper gegen Sklerostin, ein natürliches Protein, das
den Knochenaufbau hemmt. Durch den Wirkstoff fällt die Hemmung weg und
der Knochenaufbau kann verstärkt erfolgen. „Beide Präparate stehen kurz
vor der Zulassung, sind vielversprechend und erweitern unser
Therapiespektrum“, so Siggelkow.

„Leider
wird die weit verbreitete Osteoporose mit ihrem Risiko für Stürze,
Brüche und daraus möglicherweise resultierendem Mobilitätsverlust
unterschätzt. Wir sind froh, wenn uns mit den vielversprechenden neuen
Medikamenten weitere Mittel gegen diese Krankheit zur Verfügung stehen“,
so Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE und
Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz.

Neben dem Thema Osteoporose werden Experten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie auf der Kongress-Pressekonferenz am 14. März 2018 zudem über psychische Effekte von Hormonen am Beispiel des
„Kuschelhormons“ Oxytocin diskutieren sowie Forschungsergebnisse zu
chronischen Entzündungsreaktionen, die mit Diabetes, Atherosklerose und
Demenz zusammenhängen, vorstellen.