Verkalkte Halsgefäße

Verkalkte Halsgefäße: Früherkennung nicht immer sinnvoll

fzm, Stuttgart, September 2015 – Verkalkungen
der Halsschlagader, die zum Ausgangspunkt für einen Schlaganfall werden
können, bleiben häufig unbemerkt. Eine systematische Früherkennung, die
heute mit einem Ultraschallgerät einfach und ohne Risiken möglich wäre,
ist nach Ansicht eines Experten in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche
Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015)
dennoch nur unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll.

Das Gehirn ist auf die ununterbrochene Blutzufuhr über die
beiden Halsschlagadern angewiesen. Doch bei vielen Menschen kommt es
hier im Alter zu Engstellen, sogenannten Carotisstenosen. Die meisten
Menschen bemerken dies nicht. Studien haben gezeigt, dass im Alter von
60 bis 69 Jahren ein Prozent aller Männer eine Carotisstenose von mehr
als 70 Prozent in einer Halsschlagader haben, ohne dass dies Beschwerden
verursacht. Im Alter über 80 Jahre steigt der Anteil auf rund drei
Prozent. Bei Frauen liegt der Anteil auch im hohen Alter nur bei etwa
ein Prozent.

Eine hochgradige Durchblutungsstörung birgt das Risiko, dass
der Blutfluss ganz zum Erliegen kommt. Dann käme es zu einem
Schlaganfall. Läge es da nicht nahe, alle Menschen über 60 Jahre
regelmäßig mit einem Ultraschall zu untersuchen?

Ein solches allgemeines Screening wird jedoch von den
medizinischen Fachgesellschaften nicht empfohlen. Professor Norbert
Weiss, Direktor des GefäßCentrums am Universitätsklinikum Carl Gustav
Carus in Dresden nennt hier mehrere Gründe. Zum einen sei die Häufigkeit
der Stenosen insgesamt zu gering, um ein regelmäßiges Screening zu
rechtfertigen. Auch dürfe die Gefahr, die von den Stenosen ausgeht,
nicht überschätzt werden. Die Schlaganfälle seien häufig milde und
würden keine bleibenden Behinderungen hinterlassen. Die schlimmsten
Schlaganfälle werden laut Weiss von Blutgerinnseln ausgelöst, die sich
bei Herzrhythmusstörungen im Herz bilden, abdriften und dann im Gehirn
große Gefäße verlegen. Auch der Nutzen, der durch eine Beseitigung der
Engstelle, die durch eine Operation oder eine Katheterbehandlung möglich
ist, ist laut Weiss noch nicht bewiesen und allenfalls gering.

Es gibt aber Fälle, in denen die Betroffenen sich untersuchen
lassen sollten. Ein Ultraschall ist notwendig, wenn Strömungsgeräusche
an der Halsschlagader zu hören sind oder wenn zusätzliche Risikofaktoren
vorhanden sind. Dies kann eine Verengung der Herzkranzgefäße sein oder
erhöhte Blutfettwerte. Starke Raucher sollten sich ebenfalls untersuchen
lassen. Auch vor einer Bypass-Operation am Herzen ist die Untersuchung
der Halsschlagadern heute Pflicht. Eine weitere Gruppe sind Patienten,
die wegen einer Krebserkrankung am Hals eine Strahlentherapie erhalten
haben. Stenosen der Halsschlagader gehören hier zu den häufigen
Komplikationen, berichtet Weiss, der in diesen Fällen eine regelmäßige
Früherkennung durch eine Ultraschalluntersuchung für ratsam hält.

A. Mahlmann und N. Weiss