Vergiftung durch den Verzehr von Tropenfisch in Deutschland
fzm, Stuttgart, Februar 2015 – Eine Vergiftung
durch tropische Fischgerichte ist auch in Deutschland möglich. Mit
Fischsorten wie Roter Schnapper oder Barracuda kann ein hitze- und
kältebeständiges Gift auf deutsche Teller gelangen. Wegen der
ungewöhnlichen Krankheitszeichen wird die Ciguatera genannte
Fischvergiftung selten erkannt und noch seltener den
Giftinformationszentren gemeldet, berichten Experten in der
Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart. 2015).
Das Toxin, das in tropischen Fischen enthalten sein kann, ist
weder durch Geschmack, Beschaffenheit oder Geruch erkennbar, noch kann
es durch Hitze oder Kälte zerstört werden, erläutert Professor Katharina
Zimmermann, Heisenbergprofessorin für Experimentelle Schmerzforschung
an der Anästhesiologischen Klinik der Universitätsklinik Erlangen. In
gefrorenem Fisch sei es quasi unbegrenzt haltbar.
Damit können vergiftete Fische auch auf deutsche Speiseteller
gelangen. Wer sich also einen Roten Schnapper, Barracuda oder einen
anderen tropischen Raubfisch servieren lässt, kann erkranken. Das Gift
wird nicht vom Fisch, sondern von Algen gebildet, die in Riffen
verbreitet sind und von den Fischen gefressen werden. In der
Nahrungskette reichert sich das Gift an, weshalb Raubfische häufiger
belastet sind. Bei Menschen reichen schon geringste Mengen von 0,1
Mikrogramm pro Kilogramm Fisch aus, um zu erkranken.
In tropischen Regionen ist Ciguatera überall dort häufig, wo
es Korallenriffe gibt. Im indischen und pazifischen Ozean, aber auch in
der Karibik kommt es immer wieder zu Epidemien, erklärt Professor
Zimmermann. In Deutschland werde die Erkrankung erstaunlich selten
diagnostiziert, so die Expertin. In der Vergangenheit waren meistens
Tropenurlauber betroffen. Doch als sich im November 2012 mehrere
Menschen bei den Gesundheitsbehörden oder regionalen
Giftinformationszentren meldeten, die nicht in den Tropen gewesen waren,
hakte Professor Zimmermann nach. Eine Umfrage unter 20 Betroffenen
ergab, dass alle Roten Schnapper verzehrt hatten. Alle Fische waren von
demselben Großhändler importiert und deutschlandweit verkauft worden.
Professor Zimmermann vermutet, dass mehr als die bekannt
gewordenen 20 Menschen erkrankt waren. Durch die Nachwirkungen
unterscheide sich Ciguatera von einer gewöhnlichen Fischvergiftung. Von
Durchfall, Übelkeit und Erbrechen erholen sich die Patienten meistens
nach wenigen Tagen. Es bleibe aber häufig ein unklares Schwächegefühl,
begleitet von einer geringen Belastbarkeit und einer leichten
Ermüdbarkeit, die ein Jahr lang anhalten kann. Typisch für Ciguatera
sind zudem Juckreiz und ein brennender Schmerz im Zusammenhang mit
Abkühlung der Haut.
Die Expertin führt die Symptome auf eine Schädigung der
sensiblen Nerven zurück, die Tast- und Temperaturreize ans Gehirn
übermitteln. Die Toxine lösen hier eine Überempfindlichkeit aus, die
über mehrere Monate anhalten kann. Um eine chronische Ciguatera zu
vermeiden, rät Professor Zimmermann den Betroffenen, zunächst auf
Alkohol und Kaffee zu verzichten. Auch starke körperliche Aktivitäten
und Tätigkeiten, die eine Dehydrierung begünstigen, sollten sie
vermeiden, ebenso erneuten Fischkonsum. Denn wer bereits einmal an
Ciguatera erkrankt ist, reagiert bei einer erneuten Vergiftung in der
Regel sehr viel empfindlicher.
Die Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt. Eine Infusion mit
Mannitol, einem Zuckeraustauschstoff, kann die Spätsymptome lindern,
wenn es in den ersten drei Tagen, besser aber noch am ersten Tag
durchgeführt wird. Colestyramin, ein Austauschharz, das bei Gallenleiden
den Juckreiz abmildert, wirke manchmal auch bei Ciguatera. Ein
Plasmaaustausch, der das Gift aus dem Blut entfernt, komme nur in sehr
seltenen, lebensbedrohlichen Fällen infrage.
K. Zimmermann et al.:
Vergiftung durch Tropenfisch: Ciguatera-Epidemie in Deutschland
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (2); S. 125-130