Vegane und vegetarische Familienkost: Wie gesund ist das für Kinder?

Vegane und vegetarische Familienkost: Wie gesund ist das für Kinder?

fzm, Stuttgart, März 2018 – Immer mehr
Menschen in Deutschland ernähren sich vegetarisch oder vegan. Die für
sich selbst gewählte Ernährungsform wünschen sich Eltern dann häufig
auch für ihre Kinder. „Gerade in Wachstums- und Entwicklungsphasen
besteht jedoch die Gefahr, dass wichtige Nährstoffe nicht in
ausreichender Menge aufgenommen werden“, erklären Experten aus
Ernährungswissenschaft und Pädiatrie in der „DMW Deutschen Medizinischen
Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2018) und warnen vor
möglichen Mangelerscheinungen – insbesondere bei veganer Kost.

Die Ernährungswissenschaftlerin Professor Dr. troph. Mathilde
Kersting, Leiterin des Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) der
Universitätskinderklinik Bochum, sowie die Kinderärzte Privatdozent
Hermann Kalhoff (Dortmund), Professor Michael Melter (Regensburg) und
Professor Thomas Lücke (Bochum) plädieren für eine Mischkost, die zwar
pflanzenbetont ist, jedoch in Maßen auch Fleisch enthält. Entsprechende
Empfehlungen hat das FKE in Form von Ernährungsplänen formuliert, die
Vorschläge für ausgewogene Mahlzeiten für Kinder und Jugendliche machen.

Wer einzelne Lebensmittel ausschließen möchte, kann die
dadurch wegfallenden Nährstoffe in der Regel durch andere Lebensmittel
ausgleichen. „Generell gilt jedoch: Das Risiko einer Mangelversorgung
ist umso größer, je einseitiger die Ernährung und je jünger das Kind
ist“, sagt Kersting. Daher müsse zwischen den verschiedenen Arten von
vegetarischer oder veganer Ernährung unterschieden werden. So verzichten
Lacto-Ovo-Vegetarier zwar auf Fleisch und Fisch, essen aber Eier und
Milch. Lacto-Vegetarier lassen zusätzlich die Eier weg, und Veganer
verzichten auf alle tierischen Produkte – auch auf Milcherzeugnisse und
Honig. Bereits der Verzicht auf Fleisch, verringert die Zufuhr von gut
verfügbarem Eisen und Zink und auch von Vitamin B12 deutlich. Wer Fisch
meidet, dem fehlt eine wichtige Quelle für Jod, Vitamin D und
Omega-3-Fettsäuren. Und bei einer veganen Ernährung ist zusätzlich die
Aufnahme von Kalzium und Vitamin B2 stark reduziert, Vitamin B12 und
wichtiges tierisches Eiweiß fehlen völlig.

Bei Lacto-Ovo-Vegetariern scheint das Risiko für
Mangelsymptome gering zu sein, wie Studien nahelegen. Wer aber selbst
unter Mischkost schon in Gefahr sei, einen Eisenmangel zu entwickeln,
dem raten die Autoren von einer vegetarischen Ernährung eher ab. Das
beträfe hauptsächlich Säuglinge im zweiten Lebenshalbjahr und junge
Mädchen, die bereits ihre Regelblutung haben, erklären sie. Auch
Schwangere hätten einen besonders hohen Eisenbedarf, der mit einer
fleischlosen Ernährung womöglich nicht gedeckt werde. Als Kompromiss
könne die Nahrung ersatzweise mit Vollkornprodukten angereichert werden,
die ebenfalls Eisen enthalten – allerdings in einer weniger leicht
verfügbaren Form. „Um die Aufnahme zu verbessern, sollten
Vitamin-C-reiche Zutaten beigemengt werden“, sagt Kersting.

Kritischer bewerten die Autoren die rein vegane Ernährung.
Hier sehen sie ebenso wie die European Society for Pediatric
Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) und die Deutsche
Gesellschaft für Ernährung (DGE) ein hohes Risiko für einen ausgeprägten
Nährstoffmangel. „Besonders gravierend ist die Unterversorgung mit
Vitamin B12“, warnt Kersting. Hier könne es bei Kindern und vor allem
bei gestillten Säuglingen veganer Mütter zu schwerwiegenden
Mangelerscheinungen wie einer Blutarmut und neurologischen Störungen
kommen, die teilweise irreversibel seien. Da pflanzliche Lebensmittel
kein wirksames Vitamin B12 enthalten, bietet auch die Palette der
‚veganen‘ Lebensmittel keine ausreichenden Alternativen, um den Vitamin
B12-Mangel auszugleichen. Daher müssen nach Ansicht der Autoren nicht
nur Säuglinge, sondern Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen sowie
Schwangere und Stillende ihre vegane Kost mit Vitamin B12-Präparaten
ergänzen. Auch der Bedarf an Vitamin D werde bei einer rein veganen
Ernährung oft nicht gedeckt. Gerade in Wachstumsphasen, in denen
Knochensubstanz aufgebaut wird, sollte auch dieses supplementiert
werden.

Die Ernährungsempfehlungen des Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) können kostenlos unter
www.klinikum-bochum.de/fke heruntergeladen werden.

M. Kersting et al.:
Vegetarische Kostformen in der Kinderernährung?