Tauchfahrten in die bizarre Mondlandschaft der Tiefsee

Neue Entdeckungen vor der Küste Mittelamerikas

 

Die Tiefsee, ein kalter lichtloser Ort ohne Leben? Weit gefehlt, auch
in dieser lebensfeindlich anmutenden Umgebung gibt es Regionen mit
Lebensformen, hoch spezialisiert und angepasst an diese Verhältnisse.
In solchen Regionen brodelt es, Gase entweichen aus dem Boden, Erdbeben
erschüttern den Meeresgrund und können Schlammlawinen auslösen. Die
Ursache liegt tiefer unter dem Meeresboden. Dort, an den Grenzflächen
zweier Erdplatten wird Meeresboden vernichtet, aufgeschmolzen,
recycelt. Was dort genau passiert, was dort am Meeresboden lebt und
welche Stoffe und Energien umgesetzt werden, sind Fragestellungen des
Kieler Sonderforschungsbereichs 574 (Volatile und Fluide in
Subduktionszonen). Er beschäftigt sich mit der Rückführung von
Volatilen (leichtflüchtigen, zum Teil klimaaktiven Substanzen), vom
Beginn der Subduktionszone bis zum Vulkangürtel, sowie der Auswirkung
auf Erdbeben und Hangrutschungen.

 

Die Expedition M66-2 mit dem Forschungsschiff METEOR unter der Leitung
von Dr. Gregor Rehder vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften
(IFM-GEOMAR) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
(IFM-GEOMAR), ging ins bisherige Hauptarbeitsgebiet des
Sonderforschungsbereichs (SFB), vor die Küsten Costa Ricas und
Nicaraguas. Ausgerüstet mit modernster Meerestechnik, wie dem
Tiefseeroboter (ROV[1]) QUEST des MARUM Bremen, wurden zwischen 400 und
2000 m Wassertiefe Gebiete untersucht, in denen Wässer aus großen
Sedimenttiefen, befrachtet mit Gasen und Nährstoffen, an die
Sedimentoberfläche gelangen. Hier ermöglichen sie, unter Verwendung von
Methan und Entstehung des für die meisten Organismen toxischen
Schwefelwasserstoffs, den Aufbau der einzigartigen Lebensgemeinschaften
der Oasen der Tiefsee.

 

Die unterseeischen Quellen sind Endstation eines komplizierten
Flüssigkeitskreislaufes. Große Mengen wasserreicher Sedimente werden am
mittelamerikanischen Tiefseegraben unter die Festlandsplatte geschoben.
Auf dem Weg in immer größere Tiefe entstehen mit Methan und Nährstoffen
angereicherte Fluide, die unter zunehmender Hitze und unter der Last
des Kontinents aus den Sedimenten ausgedrückt werden und auf
verschiedenen Wegen an die Oberfläche des Meeresbodens zurückgelangen.

 

Besonderes Highlight der Fahrt war vor allem die Entdeckung von
hochaktiven, von Bakterienmatten besiedelten Kratern. „Damit haben wir
neben den schon vorher untersuchten Mounds (Sedimenterhebungen) und den
durch das Kollidieren von Seebergen mit der Kontinentalplatte
entstehenden Hangrutschungen eine dritte geologische Form der
Entwässerung vor Costa Rica gefunden, die wir noch gar nicht kannten.
Diese Entdeckung beim letzten Tauchgang der Expedition wird uns noch
länger beschäftigen“, kommentiert Fahrtleiter Gregor Rehder.

 

Zudem konnten an einer Hangrutschung, dem „Jaco Scarp“, erstmals
nachgewiesen werden, dass die dort entweichenden methanhaltigen Wässer
aus mehreren Kilometern Tiefe aufsteigen. Dies war bisher nur von
einigen der Sedimenterhebungen bekannt und spielt eine wichtige Rolle
für eine im SFB entdeckte Beziehung zwischen der Entwässerung von
Mineralien und dem Einsetzen von Erdbeben.

 

Die Beute der Wissenschaftler ist neben einzigartigen Videoaufnahmen,
eine Vielzahl von Proben, die bereits an Bord detaillierten Analysen
unterzogen worden und nun in den Speziallaboren weiter bearbeitet
werden.

 

Der Sonderforschungsbereich 574 wurde im Jahr 2001 eingerichtet. Kieler
Forscher von Universität und Leibniz-Institut für Meereswissenschaften
erkunden die geologischen Prozesse an Kontinentalrändern. Der
Stoffaustausch an diesen Subduktionszonen ist ein wichtiger Regelfaktor
für das globale Klima.

 

Mit den neuen Puzzleteilen aus der Tiefsee werden die Wissenschaftler
nun versuchen, die komplexen Prozesse am Kontinentalhang Mittelamerikas
und ihre Auswirkung bis zum Vulkangürtel an Land besser zu verstehen.
Auch wenn die Forscher des Sonderforschungsbereichs in Zukunft ihr
Hauptaugenmerk an die Kontinentalabhänge vor der chilenischen Küste
verlagern, werden sie, so oft es geht, nach Costa Rica zurückkehren.
Vieles liegt dort noch in der lichtlosen Weite der Tiefsee verborgen.

 

 

Fakten zur Ausfahrt:

METEOR-Expedition M66: Erste von drei Fahrtabschnitten des SFB 574 auf METEOR

 

M66-2 A und B

Leg A Curacao – Panamakanal- Corinto (Nicaragua) 22.09. – 01-10.: Transit + geophysikalische Arbeiten

Leg B Corinto – Caldera (Costa Rica) vom 02.10-23.10.: Oberflächennahe
Biogeochemie und Mikrobiologie, mit Einsatz des ROV QUEST von MARUM

 

An der Forschungsfahrt M66 nahmen ebenfalls Professor Klaus Wallmann,
Dr. Claus-Dieter Garbe-Schönberg und Dr. Peter Linke teil – jeweils mit
unterschiedlichen Fragestellungen und Forschungsansätzen aus dem
Zusammenhang des Sonderforschungsbereichs. Beteiligt war das
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen.

 

Fahrtteilnehmer: Mitarbeiter des SFB 574 (Universität Kiel und
IFM-GEOMAR). 8 Mitarbeiter des MARUM Bremen (ROV Crew), 3 Mitarbeiter
MPI für Mikrobiologie, Bremen.