Syphilis auf dem Vormarsch

Syphilis in Deutschland auf dem Vormarsch

Internisten warnen vor dem „Chamäleon der Medizin“

Wiesbaden
– Nachdem Syphilis-Infektionen in Deutschland zuletzt nur noch
vereinzelt auftraten, nimmt ihre Zahl seit Anfang des Jahrzehnts wieder
zu. Waren es 2009 noch rund 3000 gemeldete Fälle, verzeichnete das
Robert Koch-Institut 2013 bereits mehr als 5000 Meldungen der
Geschlechtskrankheit. Eine Syphilis-Infektion verläuft oft unbemerkt.
Häufig erkennen Betroffene und auch Ärzte sie erst viele Jahre nach der
Ansteckung. Angesichts der steigenden Zahlen rät die Deutsche
Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) zu erhöhter Aufmerksamkeit
für das Krankheitsbild. Denn Syphilis kann tödlich enden. Doch bei
früher Diagnose lässt sie sich wirksam behandeln, ohne bereits schwere
bleibende Schäden verursacht zu haben.

Die
Übertragung von Syphilis erfolgt meist durch ungeschützten
Geschlechtsverkehr. Während die Infektionsrate bei Frauen seit Jahren
gleichbleibend niedrig ist, steigt die Anzahl der an Syphilis erkrankten
Männer derzeit an. An der Eintrittsstelle des Erregers bildet sich nach
neun bis neunzig Tagen zunächst ein schmerzloses Geschwür, der
sogenannte „harte Schanker“. Er heilt auch unbehandelt innerhalb von
zwei Wochen von selbst ab. „Der Primäraffekt der Syphilis bleibt häufig
unbemerkt“, sagt Professor Dr. med. Dr. h.c. Ulrich Fölsch,
Generalsekretär der DGIM aus Kiel. Nur ein Drittel der Syphilisfälle
werde im ersten Stadium entdeckt.

Etwa
sieben bis acht Wochen später haben sich die Syphiliserreger,
spiralförmige Bakterien namens Treponema pallidum, im Körper
ausgebreitet. Auf der Haut bildet sich Ausschlag, häufig am Rumpf,
Handflächen und Fußsohlen. Eine Syphilis kann in diesem Stadium ohne
Behandlung von selbst ausheilen. „Bei gesunden Menschen gelingt es dem
Immunsystem in etwa dreißig Prozent der Fälle, die Erreger vollständig
zu beseitigen“, erklärt Professor Fölsch. Wenn die körpereigene Abwehr
geschwächt ist, beispielsweise durch eine gleichzeitige HIV-Infektion,
schreitet die Erkrankung dagegen meist fort. Es vergehen Jahre bis
Jahrzehnte, bis sie in ihr drittes Stadium eintritt. Auf der Haut
erscheinen dann Knoten oder Flecken, später bilden sich Geschwüre. Die
richtige Diagnose bringt häufig erst die Analyse einer Hautprobe. „Denn
Syphilis kann die Gestalt vieler Erkrankungen annehmen. Früher wurde sie
deshalb auch als Chamäleon der Medizin bezeichnet“, erzählt Professor
Fölsch. Spätsyphilis beschränkt sich dann nicht mehr auf die Haut. Sie
schädigt auch die Blutgefäße schwer: „Ein durch die Infektion
ausgelöstes Aneurysma etwa kann jederzeit platzen und einen plötzlichen
Tod herbeiführen“, so Professor Fölsch. Auch Schäden an Herzklappen und
Gehirn kommen vor.

Noch
im Spätstadium beseitigt eine zweiwöchige Penicillinbehandlung die
Bakterien, im Frühstadium wird die Infektion durch eine einmalige
intramuskuläre Injektion geheilt. „Einmal aufgetretene Schäden an den
Blutgefäßen oder im Nervensystem bleiben aber bestehen. Deshalb ist es
wichtig, dass die Erkrankung frühzeitig erkannt wird“, warnt Professor
Fölsch. Menschen, die erste Anzeichen einer Syphilis-Infektion an sich
beobachten, sollten einen Arzt aufsuchen. Und auch Ärzte sollten
angesichts der vermehrten Verbreitung der Infektion erste Symptome ernst
nehmen. Ist die Diagnose gestellt, sei Syphilis gut behandelbar.

Literatur:

C.
Schummer, S. Schliemann, V. Fünfstück, P. Elsner: Hautmanifestation bei
Spätsyphilis. Dtsch med Wochenschr 2014; 139(38): 1883-1886

Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, DOI: 10.1055/s-0034-1387213