Stromsparende Minicomputer für das „Internet der Dinge“
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf koordiniert EU-Projekt zu Einzelelektronen-Transistor.
Das „Internet der
Dinge“ wächst rapide. Ob Handy, Waschmaschine oder die Milchtüte im
Kühlschrank – hiermit verbundene Minicomputer sollen Informationen
verarbeiten und Daten empfangen oder senden können. Dazu wird Strom
benötigt. Viel weniger Energie als die in Computern gebräuchlichen
Feldeffekt-Transistoren verbrauchen Transistoren, die Informationen mit
nur einem einzigen Elektron schalten können. Diese neuartigen
elektronischen Schalter funktionieren heute jedoch noch nicht bei
Raumtemperatur. Zudem sind sie nicht passfähig zu den gängigen
Herstellungsprozessen in der Mikroelektronik. Das wollen Wissenschaftler
im neuen EU-Forschungsprojekt „Ions4Set“ ändern. Am 1. Februar geht das
auf vier Jahre angelegte Projekt mit Partnern aus fünf europäischen
Ländern an den Start. Es wird vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
(HZDR) koordiniert.
„Milliarden kleiner
Computer werden in Zukunft über das Internet oder auch lokal miteinander
kommunizieren. Ein großer Hemmschuh ist derzeit aber noch der hohe
Stromverbrauch“, so der Projektkoordinator Dr. Johannes von Borany vom
HZDR. „Prinzipiell gibt es hier zwei Wege: Entweder man verbessert die
Batterien oder man entwickelt Computerchips, die deutlich weniger
Energie benötigen.“ So ist seit Jahren bekannt, dass
Einzelelektronen-Transistoren eine stromsparende Alternative zu den
üblichen Feldeffekt-Transistoren (FET) darstellen. Allerdings
funktionieren diese derzeit nur bei tiefen Temperaturen und sind zudem
auch nicht mit der CMOS-Technologie kompatibel. Die Computerchips, die
all unsere Laptops und Smartphones steuern, basieren auf dieser von
allen großen Mikroelektronik-Firmen genutzten Technologie.
Ein
Einzelelektronen-Transistor (Single Electron Transistor = SET) schaltet
Strom durch ein einziges Elektron. Zentraler Bestandteil des neuartigen
SET ist ein Quantenpunkt, bestehend aus einigen hundert Silizium-Atomen,
der in einer isolierenden Schicht eingebettet ist. Diese wiederum
befindet sich zwischen zwei leitfähigen Schichten. Damit ein SET bei
Raumtemperatur funktioniert, muss der Quantenpunkt kleiner als fünf
Nanometer sein (1 Nanometer = 1 Millionstel Millimeter). Und eine zweite
Anforderung muss erfüllt sein, sonst können die Elektronen den
Transistor nicht passieren: Der Abstand vom Quantenpunkt zu den
leitfähigen Schichten darf nicht mehr als zwei bis drei Nanometer
betragen. Solche Anforderungen konnte die Nano-Elektronik bisher nicht
umsetzen.
Selbstorganisation in Nano-Säulen
„Unser Transistor hat
die Form einer Nano-Säule. Außerdem haben wir einen Mechanismus
entdeckt, der dafür sorgt, dass sich die erforderlichen Quantenpunkte
quasi wie von selbst bilden“, sagt Dr. Karl-Heinz Heinig, Initiator des
neuen EU-Projekts. „Wir stellen rund 20 Nanometer schlanke Säulen aus
Silizium her, in die eine sechs Nanometer dünne Scheibe aus dem Isolator
Siliziumdioxid eingebettet ist. Durch den Beschuss der Nano-Säule mit
schnellen geladenen Teilchen werden Silizium-Atome in den Isolator
hineingestoßen. Erhitzt man die Strukturen anschließend stark, finden
sich die Atome in der Mitte der isolierenden Scheibe zu einem einzelnen
Silizium-Quantenpunkt zusammen.“ Um milliardenfach wiederholbar und
zuverlässig SET-Bauteile aus Nano-Säulen herstellen zu können, haben
sich im Projekt führende europäische Forschungseinrichtungen sowie die
Großen der Halbleiterbranche – Globalfoundries, X-FAB,
STMicroelectronics – zusammengetan.
Demonstrator mit zwei Transistoren: SET und FET ergänzen sich
Während CEA-Leti, ein
französisches Forschungsinstitut für Mikroelektronik, mit der
notwendigen Präzision die Nano-Säulen herstellt, soll das spanische
Mikroelektronik-Zentrum in Barcelona (CSIC) den Demonstrator bauen, der
den Abschluss des vierjährigen EU-Projekts bildet. Allerdings ist die
Aufgabe, die sich die Forscher gestellt haben, eigentlich noch viel
komplizierter. Der Demonstrator darf nicht lediglich aus
Einzelelektronen-Transistoren bestehen, die bei Raumtemperatur die
logischen Operationen ausführen. Daneben sind noch klassische
Feldeffekt-Transistoren erforderlich, ebenfalls in Form von Nano-Säulen.
Der Grund: Die stromsparenden Einzelelektronen-Transistoren verfügen
über zu wenig Energie, um mit der Welt außerhalb des eigenen Chips zu
interagieren. Deshalb muss der Chip, der den Siegeszug des „Internet of
Things“ erleichtern soll, neben vielen SET-Säulen einige FET-Säulen
enthalten, damit diese die Ergebnisse der SET-Operationen an andere
Chips oder Geräte weitergeben können
Kick-off-Treffen für „Ions4Set“ vom 1. bis 3. Februar am HZDR
Vom 1. bis 3. Februar
2016 findet am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf das erste Treffen
aller am EU-Projekt beteiligten Partner statt. Neben HZDR, CEA-Leti und
CSIC gehören dazu das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und
Bauelementetechnologie IISB in Erlangen, das Institut für
Mikroelektronik und Mikrosysteme IMM des italienischen CNR und die
Universität Helsinki in Finnland. Die Fördersumme beträgt vier Millionen
Euro.
„Wir sind überzeugt,
dass wir das neue Projekt zum Erfolg führen werden“, ist Dr. Heinig vom
HZDR optimistisch. „Einerseits bauen wir auf Erkenntnissen aus einem
vorigen EU-Projekt mit Computerchip-Produzenten auf, andererseits
konnten wir die führenden Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet als
Partner gewinnen.“ Und nicht zuletzt kommen die Stärken des
Ionenstrahlzentrums am HZDR zum Tragen, wenn es um die zentralen
Prozessschritte für die Herstellung von Einzelelektronen-Transistoren
geht: eine langjährige Erfahrung in der Materialforschung, eine breite
Palette von Ionenbeschleunigern sowie modernste physikalische Verfahren
der Analytik. „Unsere Herstellungstechnik kann nach erfolgreichem
Abschluss des Projekts von der Mikroelektronik-Industrie sehr einfach
übernommen werden, da die Lösung die volle Kompatibilität mit der
CMOS-Technologie gewährleistet“, betont Dr. Heinig.