Spermien können doch nicht riechen
Wenig wählerischer Spermien-Kanal lockte Forscher auf falsche Fährte
Spermium am Ziel: Hormon ist wichtigster Wegweiser (Foto: Wikimedia)
Bonn/Jülich (pte022/24.02.2012/13:56) – Spermien besitzen keine Riechvorrichtung, um Duftmarken der Eizellen im Eileiter aufzuspüren und somit ihren Weg zu finden. Der entscheidende Wegweiser auf ihrem Ziel dürfte das Sexualhormon Progesteron sein, berichten Forscher der Wissenschafts-Stiftung caesar http://caesar.de im Fachblatt EMBO. "Dank elektrophysischen Methoden konnten wir die Wirkung von Progesteron auf Spermien endlich klären. Es scheint, als ob es für die Steuerung der Spermien zuständig ist", berichtet Studienleiter Timo Strünker im pressetext-Interview.
Maiglöckchen, ade!
Bei der menschlichen Befruchtung erreichen von den Mio. ausgesandten Spermien nur wenige die Eizelle. Damit ihr weiter Weg gelingt, sendet die Eizelle chemische Lockstoffe aus, die den Kalziumhaushalt der Spermien verändern und somit die Schwimmbewegung steuern, was als "Chemotaxis" bezeichnet wird. Seit einer "Science"-Publikation 2003 spekulierte man, dass hier Bourgeonal, ein Bestandteil des Maiglöckchenduftes, als Lockstoff eine Rolle spielt, zumal Spermien nachweislich auf ihn reagierten.
Das "Maiglöckchen-Phänomen" ist jedoch zu phantastisch, um wahr zu sein, konnten die Bonner und Jülicher Forscher nun zeigen. Vielmehr dürfte das weibliches Sexualhormon Progesteron die Spermien anlocken. "Dies gelingt dem Botenstoff durch eine molekulare Schleuse in den Spermien, der sogenannte CatSper-Ionenkanal, den es auf direkte Weise öffnet und dadurch Kalzium in die Spermienzelle fließen lässt", berichtet Strünker. Männer mit CatSper-Gendefekten sind unfruchtbar, konnte der Forscher schon im Vorjahr beweisen.
Jeder Wegweiser willkommen
Zwar imitiert auch der Maiglöckchenduft Bourgeonal die Progesteronwirkung und öffnet ebenfalls die CatSper-Kanäle, dies geschieht jedoch direkt statt über Umwege über Rezeptoren von Riechzellen, wurde nun deutlich. "Bourgeonal und viele andere Duftstoffe wie sogar Menthol wirken zwar, jedoch erst bei Überdosis von Konzentrationen ab 1.000 Mal über jener des Progesterons. Spermien besitzen gar keinen Riech-Signalweg, zudem wurde im weiblichen Genitaltrakt noch kein einziger Duftstoff gefunden", betont Strünker.
Interessant ist aber trotzdem, warum die CatSper-Kanäle kaum wählerisch sind und auf verschiedene von der Eizelle ausgestoßene Substanzen – neben Progesteron auch Prostaglandine – reagieren. Vermutlich entscheidet die promiskuitive Eigenschaft über die Fortpflanzung, mutmaßen die Forscher. "Auf ihrer beschwerlichen Reise prüfen die Spermien immer wieder durch Wegweiser, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Indem die CatSper-Kanäle das chemische Milieu im Eileiter auslesen, können sie die Eizelle aufspüren."
Abstract des Originalartikels unter http://www.nature.com/emboj/journal/vaop/ncurrent/full/emboj201230a.html