Ob Kratzer im Autolack oder Risse im
polymeren Material: Selbstheilende Werkstoffe können sich selbst
reparieren, indem sie nach Beschädigungen ihre ursprüngliche molekulare
Struktur wiederherstellen. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für
Technologie und Evonik Industries entwickelten eine chemische
Vernetzungsreaktion, durch die sich bei milder Erwärmung innerhalb
kurzer Zeit gute Heilungseigenschaften des Materials erreichen lassen.
Die Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlichen sie nun im Fachmagazin
Advanced Materials. DOI:10.1002/adma.201306258
Die
Karlsruher Forschungsgruppe um Christopher Barner-Kowollik nutzt zum
Herstellen selbstheilender Materialien die Möglichkeit,
funktionalisierte Fasern oder kleine Moleküle durch eine umkehrbare
chemische Reaktion zu einem Netzwerk zu verknüpfen. Diese sogenannten
schaltbaren Netzwerke lassen sich � nach einer Beschädigung � in ihre
Ausgangsbausteine zerlegen und wieder neu zusammenfügen. Dieser Ansatz
hat den Vorteil, dass sich der Selbstheilungsmechanismus beliebig oft
auslösen lässt, zum Beispiel durch Hitze, Licht oder durch die Zugabe
einer Chemikalie. �Unsere Methode ist vollkommen katalysatorfrei, sie
benötigt keinerlei Zusatzstoff�, sagt Professor Barner-Kowollik. Als
Inhaber des Lehrstuhls für Präparative Makromolekulare Chemie am KIT
befasst sich der Wissenschaftler mit Synthesen von makromolekularen
chemischen Verbindungen.
In
rund vierjähriger Forschung hat der von Barner-Kowollik geleitete
Arbeitskreis gemeinsam mit dem Projekthaus Composite der Creavis, der
strategischen Innovationseinheit von Evonik, ein neuartiges
Polymernetzwerk entwickelt. Bei vergleichsweise geringen Temperaturen
von 50ÚC bis 120ÚC zeigt das Netzwerk in wenigen Minuten sehr gute
Heilungseigenschaften. Die benötigte Zeit zu verringern und die äußeren
Bedingungen, unter denen der Heilungsprozess abläuft, zu optimieren,
gehört zu den wesentlichen Herausforderungen der Forschung an
selbstheilenden Materialien. Einen Erfolg sehen die KIT-Forscher in der
großen Zahl der intermolekularen Bindungen, die sich in dem von ihnen
entwickelten Heilungszyklus beim Abkühlen in sehr kurzer Zeit wieder
schließen. Zudem
bestätigten mechanische Tests wie Zugversuche und das Prüfen der
Zähigkeit, dass sich die ursprünglichen Eigenschaften des Materials
vollständig wiederherstellen lassen. �Es ließ sich nachweisen, dass die
Testkörper nach der ersten Heilung sogar stärker gebunden sind als
vorher�, so Barner-Kowollik
Die
selbstheilenden Eigenschaften lassen sich auf die große Bandbreite der
bekannten Kunststoffe übertragen. Neben der Selbstheilung erhält das
Material eine weitere vorteilhafte Eigenschaft: Da es bei höheren
Temperaturen fließfähiger wird, lässt es sich gut umformen. Ein
Anwendungsbereich ist zum Beispiel die Teileproduktion aus
faserverstärktem Kunststoff für die Automobil- oder Luftfahrtindustrie.
Zum
Konsortium, das die neuartige Vernetzungsreaktion entwickelt hat,
gehören als Industriepartner das Chemieunternehmen Evonik Industries,
sowie unter anderem das Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden
und die Australian National University, Canberra, an.
Kim
K. Oehlenschlaeger, Jan O. Mueller, Josef Brandt, Stefan Hilf, Albena
Lederer, Manfred Wilhelm, Robert Graf, Michele L. Coote, Friedrich G.
Schmidt and Christopher Barner-Kowollik: Adaptable Hetero Diels-Alder
Networks for Fast Self-Healing under Mild Conditions. Advanced
Materials, 2014. DOI:10.1002/
adma.201306258.