Seelische Probleme bei Übergewichtigen

fzm – Etwa 70 Prozent aller Männer und die Hälfte aller Frauen in Deutschland sind übergewichtig. Bei Schulkindern und Jugendlichen ist jeder Fünfte betroffen. Tendenz steigend. Übergewichtigen Menschen werden viele negative Charakteristika zugeschrieben, sie werden für unattraktiv, willenlos und undiszipliniert gehalten. Ausgrenzungen beginnen schon in der Kindheit. Stigmatisierung vor allem im Jugendalter haben negative Auswirkungen auf das Selbstkonzept der Betroffenen. Eine neue Form der Intervention zum Abbau der Stigmatisierung Jugendlicher wird in der Zeitschrift "PPmP Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2007) vorgestellt. Schülern an insgesamt 54 Schulen wurde ein Lehrfilm vorgeführt, in dem übergewichtige Jugendliche einem normalgewichtigen Gleichaltrigen ihren Alltag und ihre Probleme schildern. Das Resultat nach dem Anschauen des Films war zweigeteilt: Ältere und weibliche Teilnehmer haben Vorurteile abgebaut, bei jüngeren und männlichen Schülern zeigte sich jedoch entgegen aller Erwartungen eine Verstärkung von Vorurteilen. Es ist möglich, dass die alleinige Präsentation des Films keine uneingeschränkt geeignete Intervention darstellt.

Der Abbau von Stigmatisierung ist die eine Seite, eine andere ist das Ziel der Gewichtsreduktion. Dazu muss man wissen, dass Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen durch sehr verschiedene Faktoren bedingt ist. Psychische Probleme kennzeichnen nur einen davon. Zum anderen wird beispielsweise die positive Energiebilanz durch genetische Aspekte, durch Essverhalten, körperliche Aktivität, familiäre Gegebenheiten, und körperliche Folgen, wie reduzierte Leistungsfähigkeit und erhöhter Blutdruck, beeinflusst. Ein weiterer Aufsatz in der Zeitschrift "PPmP Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2007) beschreibt entsprechend differenzierte Therapieansätze, bestehend aus einer Kombination von Bewegungs-, Ernährungs- und Psychotherapie, die auf langsame Gewichtsreduktion und längerfristige Verhaltensänderungen ausgelegt sind. So wird nicht mehr die Erreichung eines Idealgewichts angestrebt, sondern ein Gewichtsverlust von fünf bis zehn Prozent innerhalb eines Jahres. Die in dieser Studie verwendete Methode, die auf eine moderate, Selbstwert stärkende Gewichtsreduktion abzielte, wirkte sich darüber hinaus positiv auf die psychische Gesundheit der Kinder aus.
W. Rief, S. Barnow:
Reduktion der Stigmatisierung Übergewichtiger bei Schülern: Auswirkungen eines Informationsfilms. Ergebnisse einer ambulanten Interventionsstudie bei adipösen Kindern und Jugendlichen.
PPmP Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie 2007; 57 (9/10): S. 359-363;
S. 353-358