Schule kann krank machen, aber auch gesund: Beitrag zur aktuellen Diskussion
Fühlen sich Schüler
den Anforderungen im Unterricht nicht gewachsen oder erfahren sie wenig
Unterstützung durch Mitschüler und Lehrer, leiden sie häufiger unter
psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen oder
Schlafproblemen. Das belegen wissenschaftliche Studien. Forscher haben
jetzt umfangreiche Daten des Nationalen Bildungspanels (National
Educational Panel Study, NEPS) ausgewertet und weitere Aspekte des
Klassenklimas und des schulischen Wohlbefindens untersucht. Ihre Studie
ist in der Fachzeitschrift „Das Gesundheitswesen“ erschienen (Georg
Thieme Verlag, Stuttgart. 2018).
Wie wohl sich ein Kind in
der Schule fühlt, hängt von vielen Faktoren ab: Neben den individuellen
Kontakten zu Mitschülern spielen auch die fachlichen Anforderungen, das
Lernklima und die Unterrichtsqualität eine Rolle. All diese Aspekte
wurden und werden im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) in
umfangreichen Fragebögen erfasst. Diese Daten bilden die Grundlage der
Studie von Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin Professor Dr.
Katharina Rathmann, die derzeit an der Fakultät
Rehabilitationswissenschaften der TU Dortmund und im Fachbereich Pflege
und Gesundheit an der Hochschule Fulda forscht und lehrt.
Gemeinsam mit Kollegen der
Hertie School of Governance Berlin und der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg hat sie die Aussagen von insgesamt 7.300 Siebtklässlern
aller Regelschularten unter die Lupe genommen. Diese beinhalteten auch
Angaben zur Gesundheit der Probanden. „Im Unterschied zu vielen anderen
Untersuchungen fragt das NEPS auch nach eher objektiven
Gesundheitsindikatoren wie der Zahl der krankheitsbedingten Fehltage“,
erklärt Rathmann. Die Zahl der Kinder, die in den vier Wochen vor der
Befragung vier oder mehr Tage wegen Krankheit gefehlt hatten, war dabei
umso höher, je unzufriedener sie mit ihrer Schulsituation im Ganzen
waren. Die auf Krankheiten zurückgehenden Fehltage variierten zudem
signifikant zwischen den Schulformen: Haupt- und Realschüler sowie
Schüler anderer Schulformen fehlten krankheitsbedingt häufiger als
Gymnasiasten. „Möglicherweise erfahren Schüler, die eine andere
Schulform als das Gymnasium besuchen, weniger Unterstützung durch
Lehrpersonen und sind zudem häufiger mit einem lernabträglicheren
Klassenklima konfrontiert“, so die Überlegung der Wissenschaftler.
Das Empfinden der Kinder,
den Anforderungen in den Fächern Deutsch und Mathematik nicht gewachsen
zu sein, hatte ebenfalls Auswirkungen: „Das Gefühl, trotz großer
Anstrengung in diesen Fächern erfolglos zu bleiben, war mit einer
schlechteren Gesundheitseinschätzung und einer höheren Zahl von
Fehltagen assoziiert“, sagt Rathmann. Allerdings sei hier – wie auch bei
den anderen Faktoren – die Frage der Kausalität noch offen. Immerhin
sei es auch denkbar, dass viele Fehltage zu einem fachlichen Rückstand
führten, der dann erst ein Gefühl der Hilflosigkeit entstehen lasse.
Das Klassenklima scheint
dagegen keine gesundheitsrelevanten Auswirkungen zu haben. Einzige
Ausnahme: Die sogenannte „Lernorientierung“: Dabei gibt der Lehrer vor
jeder Stunde einen Überblick über die relevanten Unterrichtsinhalte und
fasst diese auch am Ende des Unterrichts noch einmal zusammen. Auch
stellt er das bearbeitete Thema in den größeren Kontext der
vorangegangenen und nachfolgenden Themen. Dieser für sich genommen
positive Aspekt der Unterrichtsgestaltung erwies sich in der Auswertung
jedoch als kontraproduktiv. Schüler, die ihrem (Deutsch-)Lehrer eine
solche Lernorientierung bescheinigten, schätzten ihre eigene Gesundheit
schlechter ein und fehlten auch häufiger. Die Unterrichtsinhalte
besonders zu betonen, sei womöglich gerade für schwächere Schüler
belastend, mutmaßen die Forscher.
Die Ergebnisse der
Auswertung unterstreichen, wie sehr schulisches Wohlbefinden mit der
subjektiven Einschätzung der eigenen Gesundheit und krankheitsbedingten
Fehltagen verknüpft ist. Maßnahmen der Gesundheitsförderung sollten
daher diesen Aspekt in den Fokus rücken. Das sei vor allem bei Schülern
notwendig, die nicht das Gymnasium, sondern eine andere Schulform
besuchen, betonen die Autoren abschließend.
- Rathmann et al.:
Klassenklima, schulisches Wohlbefinden und
Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland: Ergebnisse des
Nationalen Bildungspanels (NEPS)
Das Gesundheitswesen 2018, online erschienen am 14.03.2018