EU geht gegen unlautere Geschäftspraktiken vor
Wer kennt sie nicht, die Geschäfte, in denen das ganze Jahr „Räumungsverkauf“ ist, die jedoch niemals geräumt werden? Oder die Bestattungsinstitute, die manchmal schneller als die Angehörigen vom Tod eines Menschen erfahren und den geschockten Hinterbliebenen unverzüglich ihre Dienste anbieten. Mit Praktiken dieser Art sollen demnächst EU-weit verboten sein.
Um dem Verbraucher einen europaweiten Schutz vor unlauteren Geschäftemachern zu bieten, stellte die EU-Kommission bereits im Juni 2003 einen Richtlinien-Vorschlag vor, der am Donnerstag vergangener Woche auch vom Europaparlament gebilligt wurde. Irreführend und aggressiv
Denn trotz Einheitswährung und freiem Waren- und Personenverkehrs machen die wenigsten EU-Bürger von ihrer Freiheit, außerhalb der nationalen Grenzen einzukaufen, Gebrauch. Dies lähmt die Wirtschaft, die im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr immer noch auf dem Niveau von 1991 verharrt. Als Haupthindernis für die mangelnde Bereitschaft, als Verbraucher europäisch zu denken und zu handeln, gilt das mangelnde Vertrauen in die Redlichkeit der Händler.
Der Richtlinienvorschlag, der noch vom Ministerrat gebolligt werden muss, sieht eine Unterteilung der unlauteren Geschäftspraktiken in irreführende und aggressive Praktiken vor.
Als irreführende Praktiken gelten beispielsweise:
– Lockangebote (Anpreisung eines Produkts als Sonderangebot, ohne dass das Produkt überhaupt oder in ausreichender Menge auf Lager ist);
– Verwendung des Begriffs „Räumungsverkauf“ oder ähnlicher Bezeichnungen, wenn der Händler tatsächlich keine Geschäftsaufgabe beabsichtigt;
– Behauptung, ein Produkt könne legal verkauft werden, wenn dies nicht der Fall ist;
– Einsatz von „Advertorials“ (vom Werbenden finanzierte Berichterstattung über ein Produkt in den Medien), ohne dass deutlich gemacht wird, dass es sich um Werbung handelt;
– Behauptung, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodex zu gehören, wenn dies nicht der Fall ist
– Beschreibung eines Produkts als „gratis“, „frei“, „kostenlos“ oder ähnliches, wenn der Verbraucher irgendwelche Kosten außer den unvermeidlichen Kosten im Zusammenhang mit der Reaktion auf ein Angebot, mit der Abholung oder dem Versand des Produkts tragen muss.
Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung. Die aggressiven Geschäftspraktiken lassen sich mit den juristischen Begriffen der Belästigung, Nötigung und unzulässigen Beeinflussung zusammenfassen. Als Beispiele nennt die Kommission folgende, wohl in allen Ländern der Union vorkommende Praktiken:
– Herbeiführen des Eindrucks, der Verbraucher könne den Verkaufsraum nicht verlassen, ohne einen Kaufvertrag abgeschlossen zu haben;
– persönliche Besuche in der Wohnung des Verbrauchers unter Nichtbeachtung der Aufforderung, die Wohnung zu verlassen oder nicht wieder zu kommen;
– hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen von Kunden über Telefon, Telefax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien;
– gezieltes Ansprechen von Verbrauchern, in deren Familie kürzlich ein Todesfall oder eine schwere Erkrankung aufgetreten ist, um ihnen ein Produkt zu verkaufen, das in direktem Bezug zu dem erlittenen Unglück steht;
– an Kinder gerichtete Werbung, die diesen suggeriert, ihre Akzeptanz unter Gleichaltrigen sei davon abhängig, dass ihre Eltern ihnen ein bestimmtes Produkt kaufen;
– Zahlungsaufforderung für Produkte, die der Händler geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen). Weiterhin werden allgemeine Grundsätze festgelegt, nach denen entschieden werden kann, ob andere Geschäftspraktiken als unlauter verboten werden sollen. Testkriterium ist in den meisten Fällen die Frage, ob eine Praxis das Verhalten eines „durchschnittlichen“ Verbrauchers in unfairer Weise beeinflussen würde; zusätzlich gibt es Bestimmungen, die besonders gefährdete Verbraucher schützen sollen.
Der Richtlinienvorschlag dürfte vom Rat in den kommenden Wochen formell verabschiedet werden und sollte ab 2007, nach der Umsetzung in nationales Recht der einzelnen Mitgliedstaaten, EU-weit gelten. Danach haben die EU-Mitglieder noch während weiterer sechs Jahre die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen nationale Vorschriften beizubehalten, die strenger sind als die neuen EU-Vorgaben. (03.03.2005)