Schmerz als lebenslanger Begleiter
Prävention und Behandlung sind altersabhängig und beginnen im Alltag
Mannheim
– In Deutschland leiden etwa 13 Millionen Menschen an chronischen
Schmerzen. Kinder und Jugendliche sind ebenso betroffen wie Erwachsene.
Prävention und Behandlung brauchen individuelle und auf das Alter
abgestimmte Konzepte. Welche Bedeutung das Lebensalter, Risikofaktoren
und psychische Aspekte haben und wie Schmerzen erfolgreich behandelt
werden können, diskutieren Experten auf der Pressekonferenz zum
diesjährigen Deutschen Schmerzkongresses (14. bis 17. Oktober) in
Mannheim.
Wehen,
Geburt, Zahnen oder Krankheiten: Schmerz gehört zum Leben und begleitet
jeden Menschen in jedem Lebensalter. Wenn Schmerz akut auftritt, warnt
er und verweist auf die das Gefühl hervorrufende Körperpartie. Ohne
Schmerz und seine Begleitung von Beginn des Lebens an könnten Menschen
nicht überleben. Wird er aber ein chronischer Begleiter, suchen viele
Menschen Rat bei einem spezialisierten Arzt oder Psychotherapeuten.
Auch Kinder können chronische Schmerzen haben
Für
die Behandlung von chronischen Schmerzen ist dabei das Alter des
Schmerzpatienten wichtig: „Entgegen früherer Annahmen, das Nervensystem
sei noch nicht ausgereift genug, um Schmerz zu verarbeiten, wissen wir
heute, dass bereits „Frühchen“ und Neugeborene sehr wohl Schmerz
empfinden“, erklärt Dipl.- Psych. Dr. Paul Nilges, Leitender Psychologe
am DRK Schmerz-Zentrum in Mainz. Kinder könnten sich schlecht mitteilen,
das Schmerzempfinden sei dennoch vollständig entwickelt und bereit, auf
körperliche Schädigungen zu reagieren. Die Folgen wiederholter
schmerzhafter Eingriffe in dieser Zeit seien bis in das Erwachsenenalter
nachweisbar.
„Typische
Erwachsenenschmerzen wie Rücken- und Kopfschmerzen werden bei Kindern
oftmals bagatellisiert“, beanstandet Dr. Nilges. Tatsächlich litten aber
bereits Schulkinder überraschend häufig unter Kopfschmerzen und vor
allem unter Bauchschmerzen, was zur Folge habe, dass sie häufiger im
Unterricht fehlten und es zu Problemen in der Schule komme.
Funktionsstörungen sind häufig die Ursache von Schmerzen
Dr.
Nilges erläutert: „Die häufigsten Schmerzformen wie Migräne und
Spannungskopfschmerz können nicht durch krankhafte Veränderungen erklärt
werden. Das erklärt auch, weshalb nicht die Ursachen, sondern meist nur
die Symptome behandelt werden können.“ Ähnlich sei die Lage bei
Rückenschmerzen. Über 80 Prozent aller Menschen leiden irgendwann im
Leben unter ausgeprägten Rückenschmerzen. Bei weniger als 20 Prozent
spielten dabei ernsthafte körperliche Veränderungen eine Rolle. Ursache
für die Mehrzahl der „unspezifischen“, also normalen Rückenschmerzen,
sind sogenannte Funktionsstörungen. Dr. Nilges: „Das Zusammenspiel
zwischen Muskeln, Bändern, Gelenken und Sehnen ist gestört.“
Rücken- und Kopfschmerzen nehmen im Alter ab
In
der Bevölkerung ist die Vorstellung verbreitet, dass mit dem Alter jede
Form von Schmerzen zunehme, Schmerzen also zum Altern dazu gehörten und
die Konsequenzen – wie eine eingeschränkte Lebensqualität und Mobilität
– hingenommen werden müssten. Der Schmerzexperte Nilges hält dagegen
und sagt, dass die wichtigsten Schmerzformen wie Kopf-, Gesichts- und
Rückenschmerzen mit dem höheren Lebensalter abnähmen. „Menschen über 80
haben weniger Rückenschmerzen als 50 oder 60-jährige, sogar weniger als
die Menschen unter 40: Die 80-Jährigen haben die wenigsten
Rückenschmerzen aller Altersgruppen, eine Erkenntnis, die Hoffnung
gibt“, fasst Dr. Nilges zusammen.
Psychische
Belastungen wie Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, Stress in der Schule,
belastende Lebensumstände, Schonung, fehlende Aktivitäten und mangelnde
Entspannungsfähigkeit sind Risikofaktoren für chronische Schmerzen.
„Prävention und Behandlung von Schmerz beginnen im Alltag. Wenn die
Risikofaktoren erkannt und berücksichtigt werden, können umfassende
Therapieansätze entwickelt werden, die das Alter und die Lebensumstände
des Schmerzpatienten berücksichtigen – von Kleinkind bis zum Greis“,
bilanziert Dr. Nilges.
Auf
der Pressekonferenz des Deutschen Schmerzkongresses am 14. Oktober in
Mannheim diskutieren die Experten darüber hinaus über die Themen
„Schmerztherapie und Gesundheitspolitik“, „Qualitätssicherung in der
Versorgung von Kopfschmerzpatienten“ und den Einfluss des Alterns auf
Schmerzen.
Literatur:
Dipl. Psych. Dr. Paul Nilges, Redemanuskript,