Schlaganfall häufiger als Herzinfarkt

Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft fordert bessere Versorgungsstrukturen

Berlin – In den Industrieländern erkranken und sterben mehr Menschen an
einem Schlaganfall als bisher angenommen wurde. Eine in England
durchgeführte Studie kam jüngst sogar zu dem Ergebnis, dass der
Schlaganfall die häufigste Herzkreislauferkrankung überhaupt ist, noch
vor dem Herzinfarkt. Da das Erkrankungsrisiko im Alter deutlich
ansteigt, könnte die Bedeutung des Schlaganfalls in Zukunft weiter
zunehmen. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft fordert deshalb
vermehrte Investitionen in Forschung und Krankenversorgung.

Herzinfarkt und die meisten Schlaganfälle haben eine gemeinsame
Ursache. Die Zivilisationserkrankung Gefäßverkalkung, Atherosklerose
genannt, löst einen plötzlichen Gefäßverschluss aus. Die Durchblutung
ist jäh unterbrochen und das Gewebe stirbt innerhalb kurzer Zeit ab. Im
Herzen kommt es zum Infarkt, im Gehirn zum Schlaganfall. Trotz der
Ähnlichkeit empfinden die meisten Menschen den Herzinfarkt als
bedrohlicher, zumal er sie in den "besten Jahren" zu treffen scheint,
während an einem Schlaganfall doch eher ältere Menschen erkranken.
"Diese Einschätzung ist ebenso falsch wie die Ansicht, dass
Herzinfarkte wesentlich häufiger seien als Schlaganfälle. Die Studie
der Oxford-Neurologen ergibt ein völlig anderes Bild", so Professor Dr.
Martin Grond, 1. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft.

Über drei Jahre wurden alle Gefäßerkrankungen bei 91.000 Bewohnern im
Bezirk Oxfordshire registriert und analysiert. Anders als in früheren
epidemiologischen Untersuchungen wurden auch ältere Menschen über 65
Jahren erfasst. Ergebnis: Beide Erkrankungen werden im Alter häufiger.
Und: Der Herzinfarkt ist keineswegs die Erkrankung des mittleren
Erwachsenenalters, und Schlaganfälle treffen keineswegs nur ältere
Menschen. Diese neuen Erkenntnisse müssen nach Ansicht von Professor
Grond, Siegen, Konsequenzen haben: Denn trotz der vielen
Gemeinsamkeiten fehlen für Schlaganfallpatienten die engen
Versorgungsstrukturen, die für Herzinfarkt-Patienten seit Jahren üblich
sind. "Darüber hinaus ist bei älteren Patienten eine gute
prophylaktische Versorgung und eine optimale Nachsorge doppelt
wichtig", so Grond. Denn nur so können die bei dieser Patientengruppe
häufig auftretenden Behinderungen nach einem Schlaganfall gemildert
oder verhindert werden. Mit seinem Kollegen und Leiter der Studie, de m
Oxford-Neurologen Peter Rothwell, ist sich Grond einig: Die
Krankenversorgung des Schlaganfalls muss verbessert werden und eine
Benachteilung in der Forschung dürfe es nicht länger geben.

Studie: Oxford Vascular Study publiziert im Lancet 2005; 366: 1773-83