Rückbesinnung auf soziale Marktwirtschaft ? Ein Manager wird geehrt, der dies fordert –

Die soziale – und ich füge hinzu – die soziologische Marktwirtschaft ist zu verdanken, das Deutschland aus der totalen Zerstörung nach dem 2. Weltkrieg wie ein Phönix aus der Asche hervorgegangen ist. Das damals sogenannte ‚Wirtschaftswunder‘ beruhte auf Ideen, die bereits einige kluge Denker im 2. Weltkrieg gefasst hatten. Sie wollten ein Mittelding zwischen dem amerikanischen Kapitalismus, der durch größere Kreativität ermöglichende Freiheit der Wirtschaft als Gegenspieler zur Planwirtschaft des Kommunismus und Sozialismus schafft. Es war vor allen Dingen der in Frankfurt entstandene Ordo-Kreis unter Leitung von Walter Eucken, der den Begriff ‚soziale Marktwirtschaft ‚ prägte.

Umgesetzt in konkrete Politik hat ein Berater des damaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard, mit Namen Professor Dr. Alfred Müller-Armack. Heute noch ziehe ich den Hut vor ihm, denn ich konnte an der Universität zu Köln seine von Logik durchsetzten Vorlesungen miterleben. Sein Erfolgsrezept: Er bezog nicht nur die Prozesse der Wirtschaft in sein Denken mit ein, sondern auch wichtige soziologische Gesetzmäßigkeiten, die das Verhalten von Menschen in der Gesellschaft beschreibt. Im Mittelpunkt stand die Preisbindung durch den Markt, in dem sich Angebot und Nachfrage begegnen. Das artet leicht in extreme Preisschwankungen aus, wie das heute noch an der Börse zu beobachten ist. Dieses sollte die soziale Marktwirtschaft zügeln, und zwar im Sinne, dass die Wirtschaft einen gewissen Freiheits-Spielraum behält, aber Auswüchse verhindert, z. B. durch Preisabsprachen, Korruption, direkte Eingriffe durch den Staat, usw. Die Überwachungsfunktion wurde einem möglichst unabhängigen Kartellamt übertragen, welches die Regeln auch durch notwendige Sanktionen und Strafen streng kontrolliert.

Schon am Anfang hat Müller-Armack auch die Nachhaltigkeit der Ökologie mit einbezogen. Wie ich selbst belegen kann, denn durch seine Vorlesungen hat er mich als Student der Volkswirtschaft und Soziologie an der Universität zu Köln von dem genialen Mechanismus der begrenzten Marktwirtschaft überzeugt. Ich bin stets Überzeugungstäter geblieben. Leider ist mit der Zeit der ökologische Aspekt in den Hintergrund getreten und die soziale Marktwirtschaft hat Kratzer bekommen. Es ist sehr schwer, Menschen von der Kraft der Selbstorganisation einer Gesellschaft zu überzeugen. Auf den ersten Blick scheint der direkte Eingriff plausibler, weil dem Einzelnen oft der Überblick verwehrt ist. Stichwort: Man muss da etwas tun, man glaubt, dass die staatliche Intelligenz größer ist als das freie Spiel der Markt-Kräfte.

Darunter leidet auch die derzeitig notwendige Bewältigung der Klimakrise. Die Grünen-Ideologie z. B. verkündet, dass Technologie-Verbote, direkte Gängelung der Bürger und populistische Plausibilität , das heißt, eine versteckte Planwirtschaft, unbedingt notwendig wären. Damit hebeln sie die geniale soziale und ökologische Marktwirtschaft aus, vielleicht ist ihnen das gar nicht bewusst. Nebenwirkungen und Risiken und die Wahl des kleineren Übels, welches bei wirtschaftlichem Handeln immer anfällt, wird ausgeklinkt, tradierte Verhaltensweisen der Menschen finden keine Berücksichtigung, obwohl die beabsichtigten Maßnahmen und die nach Mainstream entstandenen Gesetze in eine Sackgasse führen. Die Methode der unideologischen Optimierung, unter Einbezug der technischen Fortschritte, wird unterdrückt, was diametral der sozialen Marktwirtschaft entgegen steht.

Es war immer schon gefährlich, Wunschträumen nachzulaufen. In der Vergangenheit führten sie z. B. zum Faschismus, Kommunismus, orthodoxen Sozialismus und zu Kriegen, weil sich eine bestimmte Gruppe Vorteile davon versprach. Dass eine solche Zwangswirtschaft bar jeder Vernunft den inneren Frieden einer Gesellschaft zerstören kann, ist diesen ‚Tätern‘ schnuppe oder wird verdrängt.

Ihr Jean Pütz

(Morning Briefing) – Ludwig Erhard war der letzte Politiker in Deutschland, dessen Wirken ein wissenschaftliches Fundament besaß. Aus den Arbeiten der beiden Ökonomen Alfred Müller-Armack und Walter Eucken entwickelte er die Idee einer Sozialen Marktwirtschaft, in der sich die Marktkräfte von Angebot und Nachfrage unter staatlicher Aufsicht und Regelsetzung entfalten konnten. Der Staat war der Schiedsrichter, nicht der Mittelstürmer. Der Staat sorgte fürs Reglement, nicht für die Tore. Die mussten der Einzelne und seine Mannschaft, die man Firma nennt, schon selbst schießen.

Dieses Grundverständnis hat gelitten. Ludwig Erhard wird auch von CDU und CSU sonntags gefeiert und ab Montag wieder vergessen. Deshalb suchte der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung, Roland Koch, einen würdigen Preisträger für seinen Ludwig-Erhard-Preis und hat ihn in Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle gefunden. Koch begründete die Entscheidung wie folgt:

Wir brauchen erfolgreiche Wirtschaftsführer wie Reitzle, die über die politischen Bedingungen ihres Erfolges offen reden. Wir sehen oft eine lautlose Aushöhlung der Gestaltungsfreiheit der Unternehmer, Reitzle nimmt kein Blatt vor den Mund, dem zu widersprechen.

Grund genug für den Morning Briefing Podcast, das Gespräch mit Wolfgang Reitzle zu suchen. Der blickt auf Top-Management-Positionen bei BMW, Ford und Linde zurück. Er zählt zu den wenigen Unternehmensführern, die sich mit deutlichen Stellungnahmen auch auf das Spielfeld der Politik wagen.

Für Reitzle hat sich der Staat beim Pandemie-Management nicht gerade mit Ruhm bekleckert:

Der Staat hat alles an sich gezogen und sich dann in seiner eigenen komplexen Bürokratie verheddert.

Er fordert, die Staatlichkeit in Deutschland neu zu denken:

Der Staat muss sich zurückziehen. Dann kommt auch Wachstum.

Das Denkschema vieler Politiker betrachtet er als Hemmnis für weiteres Wachstum:

Wenn wir den Gerechtigkeitsbegriff als Gleichheit definieren, dann ist im Umkehrschluss Ungleichheit immer ungerecht. Diese Art zu denken bedeutet Gift für das Freisetzen dynamischer Märkte.

Fazit: Wolfgang Reitzle sagt, was er denkt. Und er tut, was er sagt. Er ist das, was die Amerikaner einen „good corporate citizen” nennen.