fzm – Der Gelenkrheumatismus befällt keineswegs nur Hände und Beine,
wie die meisten Menschen annehmen. Gar nicht so selten ist auch das
Kopf-Halsgelenk erkrankt, was für die Rheuma-Patienten schwerwiegende
Folgen bis hin zu tödlichen Querschnittslähmungen haben kann. Diese
rheumatoide Arthritis (Fachwort für Gelenkrheuma) der Halswirbelsäule
sei ein von vielen Ärzten unterschätztes Problem, beklagt Dr. Michael
Schwarz-Eywill, Oldenburg, in der DMW Deutschen Medizinischen
Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2005).
Am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg, wo der Rheumaspezialist Dr.
Schwarz-Eywill arbeitet, hat es innerhalb von zwei Jahren drei
Todesfälle von Rheuma-Patienten gegeben. Alle drei Patienten waren
bereits mit Lähmungserscheinungen in die Klinik eingewiesen worden und
bei allen stellten die Ärzte schwerste rheumatische Veränderungen der
Halswirbelsäule fest. Zu spät, denn die Verbindung zwischen erstem und
zweitem Wirbel hatte sich so weit gelockert, dass die Patienten wenig
später starben. Die Todesursache erläutert Schwarz-Eywill
folgendermaßen: Im Kopf-Halsgelenk dreht sich der erste Wirbel (Atlas)
um den Zahn (Dens) des zweiten Wirbel (Axis). Wenn die Rheumaerkrankung
auf das Kopf-Halsgelenk übergreift, können der Zahn, oder auch andere
Gelenkteile auf das Rückenmark drücken. Die Ärzte sprechen von einer
atlanto-axialen Dislokation, die auch bei den drei Patienten in
Oldenburg vorlag. Alle drei hätten möglicherweise gerettet werden
können, wenn die Hausärzte die richtige Diagnose gestellt hätten,
glaubt Dr. Schwarz-Eywill. Doch in keinem Fall sei eine Röntgenaufnahme
der Halswirbelsäule durchgeführt worden. Dabei seien die drei Patienten
keine Einzelfälle. Eine Röntgenuntersuchung von 214 Rheuma-Patienten,
die während zwei Jahren in der Oldenburger Klinik behandelt wurden,
ergab bei jedem sechsten (16,8 Prozent) einen krankhaften Befund am
Halskopf-Gelenk. Die Kernspintomographie zeigte den Ärzte dann, wie es
um die Patienten stand. Zwei mussten sofort operiert werden (und
überlebten), bei den anderen wurde die medikamentöse Therapie
verbessert, damit die Entzündung des Kopf-Hals-Gelenks nicht weiter
fortschreitet.
Dr. Schwarz-Eywill fordert in der DMW die Ärzte auf, bei allen
Rheuma-Patienten Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule anzufertigen. Und
zwar möglichst früh, denn das Kopf-Halsgelenk könne schon nach wenigen
Monaten betroffen sein. Dr. Schwarz-Eywill: "Bei einer Patientin war
das Rheuma erst seit 6 Monaten bekannt".
M. Schwarz-Eywill et al.:
Die rheumatoide Arthritis an der Halswirbelsäule: Ein unterschätztes Problem
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (33): 1866-1870