Qualität fürs Alter

Standards für Verpflegung in Einrichtungen vorgestellt

(aid) – Zwei Drittel aller Bewohner in Seniorenheimen sind von einer Mangelernährung betroffen oder gefährdet. Das sind Daten aus einer Studie von 2006, die die Ernährungssituation in stationären Einrichtungen genauer unter die Lupe nahm. Zahlen, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels mehr sind als alarmierend: Die tatsächliche Situation in deutschen Senioreneinrichtungen könnte nämlich noch wesentlich schlimmer sein. Denn die Studie basierte auf Freiwilligkeit der Einrichtungen. Das heißt, es haben sich vielleicht nur die gemeldet, die sowieso bereits ein höheres Qualitätsbewusstsein umsetzen.
Höchste Zeit also, sich wissenschaftlich mit diesem Manko zu beschäftigen. Ende September 2009 stellte Bundesernährungsministerin Ilse Aigner nun die "Qualitätsstandards für die Verpflegung in stationären Senioreneinrichtungen" vor. "Das praktische Wissen muss jetzt an die Mitarbeiter der Einrichtungen", so Aigner. Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erarbeiteten Standards bieten erstmals eine praxisorientierte Hilfestellung für ein ausgewogenes Verpflegungsangebot für ältere Menschen. Prof. Helmut Heseker von der Universität Paderborn hat die Kernprobleme für die stets wachsende Zahl der Senioren ausgemacht: "Mangelernährung tritt oft aufgrund der altersspezifischen Probleme ein. Das geht von Kau- und Schluckbeschwerden bis zur Appetitlosigkeit, die oft von eingenommenen Arzneimitteln ausgeht." Sedativa zum Beispiel seien oft einfach überdosiert oder die Nebenwirkungen der meisten Medikamente verursachten Übelkeit. Und wem es nicht gut geht, der isst weniger. Heseker beschreibt auch das "verregnete-Sonntagnachmittag-Phänomen" als eine der Hauptursachen der unzureichenden Versorgung: "Was macht man an solchen Tagen? Nichts. Man bewegt sich nicht und hat somit keinen Appetit."
Ein Ergebnis der o.g. Studie war, dass je höher das Ernährungswissen der Mitarbeiter von Einrichtungen war, desto besser war auch die Versorgung der Bewohner. Daher betont DGE-Präsident Prof. Peter Stehle, Universität Bonn, die Wichtigkeit der Diagnose. "Eine Mangelerkrankung erst einmal zu erkennen und die Risiken möglichst früh zu reduzieren, ist ein vorrangiges Ziel der Qualitäststandards", so Stehle. Bundesministerin Aigner betont ebenso dieses langfristige Ziel: "Wir müssen ein Problembewusstsein in den Pflegeeinrichtungen schaffen. Tatsache ist, dass die Qualitätsstandards ein gutes Stück mehr Lebensqualität für die Senioren bedeuten können." Aigner setzt dabei auf den Wettbewerb. Einrichtungen können sich nämlich ab sofort zertifizieren lassen und entsprechend damit werben.
aid, Harald Seitz