Probleme im Job verschlimmern Rückenschmerz
Depression und Arbeitsleid machen akutes Problem oft chronisch
Rücken: Häufig Pufferzone für Stress in der Arbeit (Foto: aboutpixel.de/Marshi)
Berlin (pte004/24.05.2012/06:15) – Rückenschmerzen sind speziell bei jenen hartnäckig, die in der Arbeit der Schuh drückt oder die unter Depression leiden. Das berichten australische Forscher am europäischen Orthopädiekongress EFORT http://www.efort.org in Berlin. "Rückenschmerz in seiner chronischen Form geht vorrangig auf seelische Belastungen und psychosoziale Umstände zurück", verdeutlicht auch Christian Lampl, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft http://www.oesg.at , im pressetext-Interview.
Teuerster Schmerz
Arbeitsfähige Rückenschmerzpatienten haben 41 Krankheitstage pro Jahr und 19 Prozent der Patienten mit moderaten oder starken chronischen Schmerzen verlieren ihre Arbeit, besagt die "Survey of Chronic Pain in Europe". Der Rückenschmerz stellt somit nicht nur für Betroffene, sondern auch für Volkswirtschaften eine erhebliche Belastung dar, die etwa für Deutschland mit 50 Mrd. Euro oder zwei Prozent des BIP beziffert wird (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20101020023 ). Erst seit wenigen Jahrzehnten wurde das Problem zur Epidemie: 60 bis 90 Prozent der Bevölkerung sind im Leben zumindest einmal davon akut betroffen, wobei die Gefahr besonders in der Chronifizierung der Beschwerden liegt.
Interventionen im Job rechnen sich
Um herauszufinden, was Rückenschmerz chronisch macht oder davor schützt, untersuchten die Forscher um Markus Melloh vom Western Australian Institute for Medical Research http://waimr.uwa.edu.au Patienten, die wegen Rückenschmerzen beim Hausarzt erschienen. Nach sechs Monaten Behandlung zeigte sich: Gefährdet sind jene, die im Job innerlich resignieren, da sie sich am Arbeitsplatz nicht wohlfühlen. Gibt es Interventionen im Betrieb, schützt das vor Dauerschmerz. Derartige Maßnahmen rechnen sich laut Studie, ersparen sie doch Krankenstandstage, Spitalsaufenthalte sowie Arzt- und Medikamentenkosten.
Dass bei der Therapie auch psychosoziale Probleme erkannt werden müssen, zeigte Mellohs Team anhand der Genesungsverläufe von Rückenschmerz-Patienten. 18 Prozent von 300 Untersuchten wurden als depressiv eingestuft, zudem litt diese Gruppe im Vergleich zum Rest an höherem Schmerzpegel und Funktionseinschränkungen sowie an mehr Berufsstress. Nur bei Nicht-Depressiven verlief die Genesung kontinuierlich und zeigte Besserungen zumindest nach der sechsten Therapiewoche. Bei Depressiven, jedoch auch bei Grüblern und jenen, die Probleme häufig wiederkäuten oder sie aufblähten, war dies oft nicht der Fall.
Wechselwirkung zwischen Körper und Seele
Ende der 1990er-Jahre konnte bei Boeing-Mitarbeitern nachgewiesen werden, dass Rückenprobleme nicht bei mit schweren Gegenständen Hantierenden auftreten, sondern vorrangig bei jenen in schlechten Jobpositionen oder ungünstigen Räumen, berichtet Lampl. Zunehmend setze sich das "biopsychosoziale Schmerzmodell" durch: "Es besagt, dass sich biologische und psychosoziale Ebenen gegenseitig beeinflussen. Die Wahrnehmung und Verarbeitung des Schmerzes sowie seine Bewältigung stehen mit Faktoren wie Arbeitsleid, frühere Misshandlung oder Migration in Wechselwirkung", erklärt der Schmerzspezialist.
Ebenso wie Studienleiter Melloh für die Rückenschmerz-Behandlung von Depressiven das gezielte Achten auf die seelische Verfassung empfiehlt, fordert auch Lampl eine ganzheitlichere Sichtweise. "Der Weg zu einer eigenständigen Schmerzmedizin muss geebnet werden. Da chronischer Rückenschmerz Hausärzte meist überfordert, braucht es interdisziplinäre Teams mit Neurologen, Anästhesisten, Psychologen und geschulten Pflegern." Langfristiges Ziel sei allerdings die Prävention, die sowohl bei Kindern – etwa durch ausreichend Bewegung – als auch in der Arbeitsgestaltung ansetzen müsse.