Piezoelektrische Effekte zur Unterdrückung von Materialspannungen

SPANNUNG IN DER FORSCHUNG:

Piezoelektrische Effekte zur Unterdrückung von Materialspannungen

Das
Auftreten elektrischer Spannungen bei Verformungen zeichnet
piezoelektrische Materialien aus � ein Effekt, der sich auch für die
Vermeidung von mechanischen Spannungen in speziellen Materialien nutzen
lässt. Ein aktuelles Projekt des Wissenschaftsfonds FWF leistet jetzt
einen grundlegenden Beitrag zur Optimierung dieser "intelligenten
Materialien".

Hohe mechanische Spannungen verkürzen das Leben
eines Bauteils. Das gilt zumindest für alle Arten von Materialien.
Deren Lebensdauer hängt ganz entscheidend von ihrer mechanischen
Beanspruchung ab. Dabei zehren vor allem Spannungen in Kombination mit
Schwingungen an der Haltbarkeit. Seit einigen Jahren gibt es nun für
spezielle Einsatzbereiche intelligente Materialien, die solchen Ursachen
aktiv entgegenwirken können. Dazu greift man tief in die physikalische
Trickkiste: Der sogenannte piezoelektrische Effekt, also der Aufbau
einer elektrischen Spannung durch Verformung, kann genutzt werden, um
diese Kräfte aktiv zu unterdrücken. Doch dabei unterliegen auch die
piezoelektrischen Materialien Kräften, die ihre Haltbarkeit mindern �
das zu ändern hat sich Jürgen Schöftner zur Aufgabe gemacht.

VON SCHWINGUNGEN & SPANNUNGEN

Wesentlich
für die Arbeit von Schöftner ist dabei eine Besonderheit von
piezoelektrischen Materialien: "Piezoelektrische Materialien zeichnen
sich durch eine spezielle Kombination physikalischer Eigenschaften aus.
Die führt dazu, dass selbst dann mechanische Spannungserhöhungen im
Material auftreten können, wenn eine � durch externe Kräfte bewirkte �
Deformation des Materials bereits abgeklungen ist."

Solche
lokalen Spannungsüberhöhungen wirken sich negativ auf die Haltbarkeit
des Materials aus, und es ist Schöftners Bestreben, diese zu mindern.
Doch dabei betritt er wissenschaftliches Neuland, wie er erklärt: "Die
Forschung der letzten Jahre in diesem als ‚Structural Control‘
bezeichneten Bereich hat sich vor allem mit der Reduktion von
Bauteilschwingungen und Deformationen beschäftigt. Die hat man auch gut
in den Griff bekommen. Aber Erkenntnisse über die Vermeidung von
Schwingungen helfen nicht weiter, wenn es um die Vermeidung von
mechanischen Spannungen geht. Hier sind neue Methoden notwendig. Deren
Grundlagen werden wir nun erarbeiten."

Am Beginn seines Projekts
steht für Schöftner dabei die Analyse der sogenannten konstitutiven
Beziehung von Piezoelektrika. Diese erlaubt es, Formulierungen für eine
mögliche Spannungsunterdrückung im dreidimensionalen Raum abzuleiten.
Weiters wird er dann auch die grundlegenden
Spannungsbewegungsgleichungen kalkulieren. Ziel dieser grundlegenden
Berechnungen ist es, praktikable Konzepte zur Spannungsunterdrückung für
sogenannte "schlanke Bauteile" zu finden.

PASSIV GEDÄMPFT � AKTIV ENERGIE GEWONNEN

Doch
Schöftner schaut in seinem Projekt noch weiter in die Zukunft:
"Tatsächlich können piezoelektrische Materialien sogar zur Gewinnung von
Energie genutzt werden. Die kinetische Energie bzw. die
Bewegungsenergie eines Bauteils wird in elektrische Oszillationen
umgewandelt und somit neutralisiert. Ist das piezoelektrische Material
nun in ein elektrisches Netzwerk eingebunden, dann kann die durch
mechanische Verformung erzeugte Spannung auch in ein geeignetes
elektrisches Speichermedium überführt werden." Das langfristige Ziel ist
es, ein elektrisches Netzwerk für eine bestimmte schwingende
piezoelektrische Konstruktion zu entwerfen, das je nach Bedarf eine
mechanische Spannung unter ein gewisses Niveau regelt oder die
Schwingungsenergie durch Speicherung in elektrische Energie umwandelt.
Dazu wäre eine intelligente Schaltung notwendig, die aus einer aktiven
Schaltung für die Spannungsregelung und einer passiven für die
Energiegewinnung besteht. Im Idealfall würde dann ab einer kritischen
Spannung die mechanische Spannung geregelt � andernfalls würde
Schwingungsenergie in nutzbare elektrische Energie umgewandelt. Doch
bevor solche Systeme Realität werden gilt es, grundlegende Hausaufgaben
zu machen. So befasst sich Schöftner in seinem Projekt auch mit der
optimalen Verteilung der Elektroden, des Widerstandbelags und des
elektrischen Netzwerks in einem solchen System.

"Das Potenzial in
solchen passiv gedämpften Materialien ist enorm � doch bevor dieses
wirklich genutzt werden kann, müssen grundlegende Erkenntnisse zur
Optimierung dieser Materialen gewonnen werden. Genau das machen wir in
diesem Projekt des FWF", ergänzt Schöftner.

Jürgen Schöftner
ist seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technische
Mechanik an der Johannes Kepler Universität Linz. Er gilt als Experte
bei der Modellbildung und Regelung von mechatronischen
Problemstellungen.