Neun von zehn Innovationen erweisen sich als Flop

Viagra als Beispiel mangelnder Experimentierfreudigkeit

Bochum/Neuss (pte/31.01.2007/11:30) – Als rohstoffarmes Land lebt
Deutschland von den Ideen seiner Bürger. Doch von Ideen allein kann man
nicht leben. Sie müssen in konkrete Projekte umgesetzt werden. Und
genau daran hapert es hierzulande, wie jetzt eine aktuelle Studie des
Instituts für angewandte Innovationsforschung an der Ruhr-Universität
Bochum (IAI) http://www.iai-bochum.de/ herausgefunden hat. Die
Innovationsflops kosten viel Zeit, Geld und Mühe. Umso dramatischer,
dass neun von zehn Produktinnovationen scheitern. "Einseitige Technik-
statt umfassende Marktorientierung, Over-Engineering, ungeklärte
Zuständigkeiten und fehlende Prioritäten verlängern und verteuern die
Entwicklung und führen letztlich zum Scheitern eines Großteils der
ambitioniert gestarteten Projekte", so das Resümee der Forscher.

Bei ihrer Befragung von 1.200 deutschen Unternehmen des produzierenden
Gewerbes fand das IAI heraus, dass viele Unternehmen immer noch einen
Großteil ihrer Innovationsressourcen in Projekte stecken, die nie zur
Marktreife gelangen oder sich bald nach ihrer Einführung als Flop
erweisen. Gleichzeitig hätten es die "Big Ideas" oft schwer, nicht
schon in frühen Entwicklungsstadien im Keim erstickt zu werden. "Es
fehlt bei uns an echten Brückenbauern zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft", analysiert Tobias Janßen von der Beteiligungs- und
Beratungsgesellschaft Goldfish Holdings
http://www.goldfish-holdings.com/ in Neuss.

"Dafür, dass die deutschen Unternehmen in der Rangliste der
Patentanmeldungen nach wie vor in der Spitzengruppe sind, kann man sich
nicht viel kaufen. Die Zahl der Patente steigt in Deutschland schneller
als die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Sie werden heute
eher eingesetzt, um Wettbewerbsrisiken und Forschungsinvestitionen zu
minimieren. Immer mehr juristische Feldschlachten über angebliche
Patentverletzungen machen die Anwälte dabei zu den wichtigsten Akteuren
und sichern ihren Auftraggebern satte Einnahmen. Marktfähige Produkte
werden so eher behindert. Wir brauchen mehr ‚Trüffelschweine‘, die den
richtigen Riecher für gute Ideen haben und diese dann zur Marktreife
bringen. Wir brauchen auch mehr Toleranz für Irrtümer und Abweichungen
von den erwarteten Ergebnissen", sagt Janßen.

So beruhe die Entwicklung des Potenzmittels Viagra auf der Grundlage
eines verworfenen Medikaments gegen Angina. Wissenschaft und Wirtschaft
allein seien hier augenscheinlich überfordert. "Daher sind Leute
vonnöten, die eine Art Scharnierfunktion zwischen den beiden Bereichen
übernehmen", fordert Janßen.

Die IAI-Studie dokumentiert dies mit Zahlen: Nur etwa 13 Prozent aller
Neuproduktvorschläge erreichen das Stadium der Markteinführung und von
den neu am Markt lancierten Produkten können wiederum nur rund 50
Prozent die in sie gesetzten Erwartungen in Teilen erfüllen. Von den
"offiziell" vorangetriebenen Ideen wird nur rund jede sechzehnte ein
kommerzieller Erfolg. Die Autoren der Studien bescheinigen den
Unternehmen gravierende Schwächen bei der Beurteilung ihrer
Innovationsideen. 53 Prozent der Befragten beklagen, dass den
Entscheidungsträgern die Zeit fehle, sich überhaupt mit den kreativen
Ideen ihrer Mitarbeiter zu beschäftigen. Rund 60 Prozent sehen Defizite
bei der Informationsgewinnung und Marktaufklärung. Und von 42 Prozent
wird beanstandet, dass die Chancen einer Innovation eher unter-, die
Risiken aber tendenziell überbewertet würden.

"Dies unterscheidet Deutschland von den Vereinigten Staaten", so
Janßen, der seine berufliche Karriere in den USA gestartet hat: "Ohne
Mut zum Risiko kann es keine guten Geschäfte geben. In den Vereinigten
Staaten denkt man generell unternehmerischer. Der Elfenbeinturm ist
dort nicht das bevorzugte Quartier für Wissenschaftler und Unternehmer.
Mit mehr Wagemut können auch mehr Ideen erfolgreich umgesetzt werden.
Hier bewahrheitet sich die schlichte Weisheit: No risk, no fun."