Florenz/London (pte/02.05.2008/13:50) – Um sich in der Welt zurechtzufinden verbinden erwachsene Menschen ganz einfach und unbewusst die Eindrücke, die Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen ihnen vermitteln. Kinder unter acht Jahren können dies offenbar nicht. Das legen zwei Studien nahe, die darauf hinweisen, dass kleinere Kinder offenbar jeweils nur einen Sinn nutzen, um ihre Umwelt einzuschätzen. Die Untersuchungen, die in der Zeitschrift Current Biology http://www.current-biology.com veröffentlicht wurden, deuten an, dass das Wahrnehmungssystem sich entwickelnder Kinder offenbar konstanter Neujustierung bedarf, indem ein Sinn dazu genutzt wird, einen anderen genauer abzustimmen.
"Kinder müssen sich die ganze Zeit neu einstellen, wenn sie größer werden, denn ihre Augen wandern weiter auseinander und ihre Glieder werden immer länger", sagt Studienleiter David Burr von der Universität Florenz http://www.unifi.it. "Unter diesen Umständen nutzen sie vielleicht den einen Sinn, um den anderen abzustimmen." Auch Marko Nardini vom Birbeck College der University of London http://www.bbk.ac.uk, Autor der zweiten Studie, sieht das ähnlich: "Wir wussten schon lange, dass beim Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein die individuellen Sinne sich in ihrer Genauigkeit verbessern. Aber jetzt scheint es so, dass das Lernen, wie man die Sinneseindrücke miteinander verflechtet, genauso wichtig ist wie sie zu verbessern."
In Burrs Untersuchung wurden Kinder und Erwachsene beauftragt zu beurteilen, welcher von zwei Spielblöcken der größere ist. Dabei war es den Testpersonen erlaubt, entweder die Blöcke anzufassen, sie anzuschauen oder beides zu tun. Die Ergebnisse zeigten Burr, dass die Fähigkeit sensorische Informationen zu kombinieren bei Kindern unter acht Jahren noch nicht entwickelt war. Die Erwachsenen und Kinder über acht Jahren schnitten bei der Aufgabe besser ab, wenn sie die Blöcke sehen und anfassen konnten. Durften sie einen der beiden Sinne nicht benutzen, fiel die Leistung schlechter aus. Bei den kleineren Kindern hingegen, ließen sich diese Unterschiede nicht beobachten. Die Ergebnisse waren nahezu identisch, wenn sie nur mittels Tastsinn, nur durch visuelle Wahrnehmung oder mit beiden zusammen entscheiden sollten.
Nardinis Gruppe machte ähnliche Erfahrungen bei ihrem Test, der dazu dienen sollte, die Orientierungsfähigkeiten von Kindern und Erwachsenen zu untersuchen. Diese beruhe nämlich sowohl auf der Einbeziehung von Orientierungspunkten, als auch darauf die eigene Bewegung im Auge zu behalten. Die Testpersonen sollten ein Objekt zu dessen ursprünglichem Platz in einem verdunkelten Raum zurückbringen, der durch drei verschieden geformte Lichtquellen erhellt wurde. Ein Versuchsdurchgang fand mit eingeschalteten Lichtern statt, der zweite wurde im unbeleuchteten Raum durchgeführt und bei einem dritten wurden die Personen zuvor einige Male im Kreis gedreht, sodass sie sich nur auf die Orientierungspunkte als Stützen verlassen konnten. Währen die Erwachsenen im ersten Test besser abgeschnitten hatten als die Kinder unter acht Jahren, verließ sie die Orientierung bei den anderen Durchläufen. Die kleinen Kinder aber zeigten bei allen Durchgängen keine Minderung der Orientierungsfähigkeit. Sich nur an den Landmarken oder nur am eigenen Standpunkt orientieren zu können, hatte das gleiche Resultat wie beides zu nutzen.
Diese Erkenntnisse könnten möglicherweise einige übliche Kindheitssituationen erklären, meint Nardini: "Es ist ja bekannt, dass Kinder leichter desorientiert sind und verloren gehen. Aber diese Studie legt nahe, dass der Grund darin liegt, dass Kinder unterschiedliche räumliche Informationen schlicht nicht zusammenfügen können."