Neues Antriebskonzept für erdnahe Satelliten

Neues Antriebskonzept für erdnahe Satelliten

Wie
auf der Erde der Luftwiderstand auf ein Fahrzeug wirkt, so bremst im
Weltall die Restatmosphäre Satelliten aus. Ein Forschungsteam am
Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart will das Problem
lösen, indem es die Atmosphäre, die den Widerstand verursacht, als
Treibstoff verwendet. Dies ist ein wichtiger Schritt zu kleineren,
preiswerten Satelliten, die in geringerer Höhe um die Erde kreisen und
bessere Bilder liefern können.

Fast
jeder hat es schon probiert: An einem sonnigen Tag öffnet man das
Autofenster, streckt die Hand heraus, um den Gegenwind zu spüren, und
fühlt sich, als könnte man fliegen. Was sich an der Hand gut anfühlt,
ist jedoch für das Auto eine Erschwernis. Ein ähnliches Problem hat man
im All: In der Erdumlaufbahn übt die Restatmosphäre einen Widerstand auf
Flugkörper wie etwa einen Satelliten aus. Dieser wird deswegen
langsamer und langsamer, wodurch ihn die Schwerkraft näher an die Erde
ziehen kann und der Satellit schließlich in der Atmosphäre verglüht.
Besonders gravierend ist dieses Problem im so genannten Very Low Earth
Orbit (VLEO) in 120 bis 250 km Höhe, denn in diesem erdnahen Bereich ist
die Atmosphäre dichter und der Luftwiderstand entsprechend höher als in
ferneren Regionen des Alls.

Satelliten
für eben diese niedrigen Flughöhen zu entwickeln ist das Ziel des
EU-Projekt DISCOVERER (DISruptive teChnOlogies for VERy low Earth oRbit
platforms), an dem unter Federführung der University of Manchester auch
die Universität Stuttgart beteiligt ist. Solche erdnahen Satelliten
können kleiner und billiger gebaut werden und schicken zudem Bilder mit
besserer Qualität an die Erde. Voraussetzung ist allerdings, dass man
den Gegenwind in den Griff bekommt.

Längere Lebensdauer, weniger Weltraummüll

Als
Teil von „DISCOVERER“ arbeitet daher ein Team um Dr. Georg Herdrich am
Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart daran, das
Problem in eine Lösung umzuwandeln. Die Idee der Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler: Sie wollen die Atmosphäre, die den Luftwiderstand
produziert, als Treibstoff verwenden. Hierfür arbeitet das Team an einem
Antriebssystem, das sich von der heutigen Technologie fundamental
unterscheidet. Es wird keine auf dem Satelliten gelagerten Treibstoffe
verwenden, sondern stattdessen elektrische Antriebe, die luftatmend
sind. Dies trägt nicht nur dazu bei, die Lebensdauer der Satelliten zu
verlängern, sondern mindert auch die Gefahren für All und Erde, die von
verglühenden Satelliten in Form von Weltraummüll ausgehen.

Über DISCOVERER

Das
Projekt DISCOVERER startete Anfang 2017 und wird von der Europäischen
Union im Rahmen des Programms Horizon 2020 mit circa 5,7 Millionen Euro
auf 51 Monate gefördert. Partner sind neben den Universitäten Manchester
und Stuttgart auch das Satelliten-Kontrollzentrum Deimos Castilla La
Mancha (Spanien), das dänische Unternehmen GomSpace, die Universitat
Politecnica de Catalunya (Spanien), das University College London, die
Firma The TechToybox (USA), sowie die Beratungsunternehmen EuroConsult
(Frankreich) und concentris research management (Deutschland).
DISCOVERER ist eines von sechs neuen Horizon 2020-Projekten, die von der
EU im Rahmen der Ausschreibung FET open (Future Emerging Technologies)
gefördert werden. Insgesamt hatten sich auf die FET Ausschreibung 594
Konsortien beworben.