Bayreuther Forscher züchten Nervenzellen im Reagenzglas
Zebrafische regenerieren Nervenzellen |
[ Fotos ] |
Bayreuth (pts015/09.02.2015/12:15) – Zebrafische besitzen
die ungewöhnliche Fähigkeit, neue Nervenzellen zu bilden und dadurch
abgestorbene oder beschädigte Nervenzellen zu ersetzen. Einem
Forschungsteam um Prof. Dr. Stefan Schuster am Lehrstuhl für
Tierphysiologie der Universität Bayreuth ist es gelungen, großflächige
Kulturen aus Zebrafisch-Nervenzellen anzulegen, die ein genaues Studium
dieser Prozesse erlauben. Damit ergeben sich vielversprechende neue
Möglichkeiten für die neurobiologische und biomedizinische Forschung.
Beschädigte menschliche Nervenzellen in möglichst
großem Umfang reparieren oder ersetzen zu können, ist ein Ziel, auf das
die Medizin weltweit hinarbeitet. Dabei sind Zebrafische von besonderem
Interesse. Denn sie besitzen die ungewöhnliche Fähigkeit, neue
Nervenzellen zu bilden und dadurch abgestorbene oder beschädigte
Nervenzellen zu ersetzen. Es wäre für die neurologische Forschung eine
wertvolle Unterstützung, wenn sie diese Prozesse nicht nur an lebenden
Zebrafischen beobachten, sondern auch im Reagenzglas reproduzieren und
untersuchen könnte. Doch die bisherigen Verfahren, mit denen
Nervenzellkulturen von Zebrafischen künstlich angelegt wurden, haben
sich als sehr arbeits- und zeitaufwändig erwiesen. Zudem waren die
Bemühungen, solche Zellkulturen zu standardisieren und dadurch die
Versuchsbedingungen zu vereinheitlichen, bisher wenig erfolgreich.
Selbst die fluoreszenzaktivierte Zellsortierung (FACS), eine in der
Zellbiologie verbreitete Methode, führt nicht zu den gewünschten
Ergebnissen.
In "Scientific Reports": Eine neuartige Anwendung eines bewährten Verfahrens
Mithilfe eines bewährten Verfahrens ist es einem
Forschungsteam am Lehrstuhl für Tierphysiologie der Universität Bayreuth
aber jetzt gelungen, großflächige Kulturen aus Zebrafisch-Nervenzellen
anzulegen, die ein genaues Studium der Neubildung und Regeneration
solcher Zellen erlauben. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Stefan
Schuster haben die magnetisch aktivierte Zellsortierung – die unter dem
rechtlich geschützten Namen "MACS" (Magnetic-Activated Cell Sortin)
bekannt ist – erstmals auf Nervenzellen von Zebrafischen angewendet.
Über ihre vielversprechenden Ergebnisse berichten sie im
Wissenschaftsmagazin "Scientific Reports".
Magnetische Partikel ermöglichen das Aussortieren determinierter Stammzellen
Aus sterilisierten Zebrafisch-Embryonen wurde zunächst
eine gemischte Zellkultur eingerichtet. Diese Zellkultur enthielt also
sehr verschiedene Arten von Zellen, darunter auch sogenannte "neuronale
Vorläuferzellen". Hierbei handelt es sich um unreife Nervenzellen, die
aus neuronalen Stammzellen hervorgehen. Sie sind – im Unterschied zu
diesen pluripotenten Stammzellen – bereits für einen bestimmten
Funktionsbereich, beispielsweise das Gehirn oder die Wirbelsäule,
vorgeprägt und werden daher auch als "determinierte Stammzellen"
bezeichnet.
Charakteristisch für die neuronalen Vorläuferzellen ist
ein Molekül mit dem Namen "PSA-NCAM". Dieses Molekül konnten die
Bayreuther Wissenschaftler daher als geeigneten Ansatzpunkt für das
MACS-Verfahren identifizieren. In die gemischte Zellkultur haben sie
winzige magnetische Partikel (MicroBeads) eingebracht, die zuvor mit
speziellen Antikörpern beschichtet worden waren. Diese Antikörper
"erkannten" die in der Zellkultur enthaltenen PSA-NCAM-Moleküle und
gingen mit ihnen eine chemische Verbindung ein. Somit waren die
magnetischen Partikel an die neuronalen Vorläuferzellen gleichsam
angekettet. Nun wurde die Zellkultur durch einen säulenförmigen Behälter
gespült, der von einem starken Magnetfeld umgeben war. Dieses
Magnetfeld bewirkte, dass die neuronalen Vorläuferzellen – und nur sie –
im Behälter "festsaßen", während alle anderen Zellen ihn wieder
verließen. Auf der Grundlage der aussortierten Vorläuferzellen wurden
nun großflächige Zellkulturen angelegt, aus denen sich im Labor voll
funktionstüchtige Nervenzellen entwickeln können.
Effizient und kostengünstig – ein vielversprechender Weg für die biomedizinische Forschung
"Die von uns konzipierte und erfolgreich getestete
Anwendung des MACS-Verfahrens auf Vorläuferzellen von Zebrafischen hat
sich als sehr effizient und zugleich als kostengünstig erwiesen",
resümiert Georg Welzel, der die Experimente durchgeführt hat.
"Zeitaufwändige manuelle Arbeiten sind hauptsächlich nur bei der
Gewinnung der Zebrafisch-Embryonen erforderlich, aus denen zunächst die
gemischte Zellkultur gebildet wird. Das anschließende Aussortieren der
neuronalen Vorläuferzellen ist ein weitgehend automatisiertes
Verfahren."
Prof. Schuster ist daher zuversichtlich, dass das
Verfahren künftig weitere Verbreitung finden wird: "Damit ergeben sich
vielversprechende Möglichkeiten für die neurobiologische und
biomedizinische Forschung, die hoffentlich schon bald und besser als
heute in der Lage sein wird, menschliche Nervenzellen wiederherzustellen
oder durch neues Gewebe zu ersetzen." Ein weiterer Schritt könne
beispielsweise darin bestehen, das MACS-Verfahren auf die neuronalen
Vorläuferzellen anzuwenden und aus ihnen genau diejenigen Zellen zu
isolieren, die für Hirnfunktionen vorgeprägt sind. "Auf diese Weise
könnten spezialisierte Zellkulturen eingerichtet werden, die
beispielsweise für die Forschungen zur Parkinskon- oder
Alzheimer-Erkrankung wertvolle Unterstützung leisten", meint der
Bayreuther Tierphysiologe.
Forschungsförderung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die in
"Scientific Reports" veröffentlichten Forschungsarbeiten im Rahmen eines
Reinhart Koselleck-Projekts unterstützt. An einigen
Entwicklungsarbeiten war auch die Friedrich Baur BioMed Center gGmbH
beteiligt, die von Daniel Seitz und Prof. Dr. Stefan Schuster geleitet
und von der Friedrich Baur Stiftung in Burgkunstadt gefördert wird.
Veröffentlichung
Georg Welzel, Daniel Seitz, and Stefan Schuster,