29.07.2015 Nachgefragt: Antbiotika-Minimierungskonzept

Sehr geehrte Frau Roesicke,
den Beitrag, den wir von der Stiftung aid übernommen haben, möchten wir gerne zur Diskussion stellen. Meine persönliche Anmerkung: Wenn die darin enthaltenen Fakten tatsächlich den Verbrauch nur auf ein Minimum reduzieren sollten, dann fress ich nen Besenstiel. Obwohl eine anonymisierte Meldung über Antibiotika-Einsatz beim Landwirt, die dann gebündelt an die HIT-Datenbank gesendet werden soll, schon allein problematisch ist, frage ich mich, wieso dann die 25 Prozent der Betriebe, die deutschlandweit am meisten Antibiotika eingesetzt haben, gemaßregelt werden sollen, was einen Widerspruch in sich selbst darstellt. Daran erkennt man, wie wenig Politiker in der Lage sind, praktikable Lösungen zu finden.

Mein Verbesserungsvorschlag: Antibiotika in der Landwirschaft dürfen nur den Tieren verabreicht werden, für die ein Tierarzt – ähnlich wie bei menschlchen Krankheiten – ein Rezept erstellt. Die Medikamente können dann in einer Human-Apotheke oder ggf. in einer neu zu gründenden Apothke für Veterinär-Medizin erworben werden. Der Veterinär darf mit dem Landwirt keine gemeinsame Sache machen. Er darf auf keinen Fall die Medikamente selbst verkaufen. Vorausseztung wäre auch hier ein „Eid des Hyppokrates für Veterinäre“

Mit freundlichen Grüßen
Jean Pütz

 

Hallo Herr Pütz,
Harald Seitz bat mich Ihnen zu antworten, denn ich habe die Meldung
geschrieben. Ich war ja schon verblüfft, dass Sie unsere Meldungen lesen
und sie kommentieren, denn mein Mann und ich sind alte Fans von Ihnen. Mein
Mann (Physiker) lernte in den 70ern mit Ihrer Hilfe Digitaltechnik und ich
wurde durch die Hobbythek begeisterte Creme- und Shampoorührerin.

Ich denke schon, dass dieses Benchmarking-Konzept den Antibiotikaverbrauch
senken wird. Aber es sollten alle Tiermäster, auch wenn sie kein
Antibiotikum einsetzen, melden. In der HIT-Datenbank, die ja zur
Herkunftssicherung eingerichtet wurde und in der Rinder-, Schweine-, Schaf-
und Ziegenhalter sowieso melden müssen, sind die Daten nicht anonymisiert.
Dort meldet jeder Betrieb einzeln. Eine Anonymisierung erfolgt erst, wenn
die Daten von dort an das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit weitergegeben werden. Antibiotika werden schon heute
nur gegen ein Rezept des Tierarztes abgegeben. Die Human-Apotheken haben
ein großes Arsenal Tierarzneien oder können es bestellen. Nur das der
Tierarzt seine eigene Apotheke, die tierärztliche Hausapotheke, hat und die
Antibiotika direkt vor Ort verkauft. Um dieses Recht wird hinter den
Kulissen auch heftig gerungen.

Früher durften einige Antibiotika auch nicht therapeutisch als
Leistungsförderer eingesetzt werden, in den USA ist das heute noch erlaubt.

Meine persönliche Befürchtung bei der Sache ist, dass die Tierhalter die
Medikamente unterdosiert und zu kurz einsetzen, um Antibiotika zu sparen.
Aber gerade dadurch bilden sich Resistenzen bei Bakterien aus. Insgesamt
geht das meiner Meinung nach in die richtige Richtung: Schon heute gibt es
bestandsspezifische Impfstoffe und welche gegen Mycoplasmen und Circo. Die
Landwirte bemühen sich um eine Optimierung von Haltung, Fütterung, Hygiene,
Stallklima und Management, um die Tiere gesund zu erhalten.

Viele Grüße
Elisabeth Roesicke

Der Beitrag: Antbiotika-Minimierungskonzept

> Ist 0 wirklich null?

> (aid) – Antibiotikaresistenzen nehmen weltweit immer weiter zu. Sie waren auch Thema des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der G7 am 7. und 8. Juni 2015 in Elmau. Sie fordern eine umfassende globale Strategie, die die Human- und die Veterinärmedizin gemeinsam behandelt.

> In Deutschland gilt für Nutztiere seit dem 1. April 2014 das Antibiotika-Minimierungskonzept der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes. Damit soll der Verbrauch von Antibiotika auf das therapeutisch unverzichtbare Mindestmaß verringert werden. Jeder landwirtschaftliche Betrieb, der Rinder, Schweine, Hühner oder Puten mästet, muss halbjährlich melden, wie häufig er Antibiotika bei seinen Tieren einsetzt. Diese Daten werden in der zentralen staatlichen HIT-Datenbank gesammelt. Die Zahlen werden anonymisiert an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit übermittelt, das daraus die deutschlandweit gültigen Kennzahlen errechnet, die im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

> Es werden statistische Durchschnittswerte berechnet und die 25 Prozent der Betriebe, die deutschlandweit am meisten Antibiotika eingesetzt haben, müssen gemeinsam mit Ihrem Tierarzt beim Veterinäramt einen schriftlichen Plan einreichen, mit welchen Maßnahmen sie in Zukunft weniger Antibiotika brauchen werden. Die Zahlen des ersten Meldehalbjahrs vom 1. Juli bis 31. Dezember 2014 sind Ende März 2015 veröffentlicht worden. Alle Mastbetriebe ab einer bestimmten Größe waren verpflichtet, sich bei der HIT-Datenbank zu registrieren. Nach dem Gesetz sind jedoch nur die Betriebe verpflichtet, ihre Therapiehäufigkeit zu melden, die tatsächlich Antibiotika bei Ihren Masttieren eingesetzt haben.

> Betriebe, die keine Antibiotika im Meldezeitraum gebraucht haben, sind nicht verpflichtet, aktiv eine Nullmeldung abzugeben. Die Datenbank hat zwar die Möglichkeit einer Nullmeldung eingerichtet, aber diese Angabe ist freiwillig. Damit ist bei den vorliegenden Daten nicht zu unterscheiden, ob ein Betrieb, der nicht meldet, es nicht wusste, es vergessen hat oder sogar absichtlich nicht meldete oder eben in diesem Halbjahr keine Antibiotika gebraucht hat.

> Mit diesen Unsicherheitsfaktoren beläuft sich der Median (Mittelwert für die Verteilungen in der Statistik) der Therapiehäufigkeit bei Mastkälbern und Mastrindern auf 0,000, das heißt – statistisch gesehen – setzen mindestens 50 Prozent der Betriebe keine Antibiotika ein. Kritiker bezweifeln diese Zahlen und vermuten eine große Zahl von Betrieben, die nicht gemeldet haben. Die Länderbehörden sollen jetzt stichprobenartig die Richtigkeit der Angaben prüfen. Sie können anhand des Bestandsbuches schnell herausfinden, ob wirklich keine Antibiotika eingesetzt wurden. Die nächste „Deadline“ ist der 30. Juni diesen Jahres und man kann gespannt sein auf die Zahlen, die dazu im September veröffentlicht werden.

> Dr. Elisabeth Roesicke