Gleiche Augenhöhe von Patient und Arzt verbessert Prognose
Marathonlauf: Kein Gegensatz mehr zu Multipler Sklerose (Foto: Flickr/Malone)
Wien (pte022/30.05.2012/13:15) – Das Bild der Multiplen Sklerose (MS) hat sich grundlegend gewandelt, seit 1995 verzögernde und stabilisierende Behandlungen aufkamen. Patient und Arzt gelten zunehmend als gleichwertige Partner, die gemeinsam die jeweils beste Therapie suchen, berichten MS-Experten und Betroffene anlässlich des MS-Welttages am heutigen Mittwoch in Wien. Auch die gesellschaftliche Beurteilung der Krankheit wandelt sich, wenngleich in manchen Bereichen weiter Aufholbedarf besteht.
MS betrifft alle Lebensbereiche
Das Nervenleiden MS tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr erstmals auf. Die dann lebensbegleitende Erkrankung verläuft in Schüben, bei denen es vorübergehend zu Symptomen wie Müdigkeit, Seh- und Bewegungsstörungen oder beeinträchtigter kognitiver Leistung kommen kann. "Nur bei jedem Dritten tritt die Verschlechterung schon kurzfristig ein. Beim Großteil verläuft MS in benigner Form mit wenigen weiteren Problemen nach einmaligen Symptomen", sagt der Neurologe Karl Vass von der MS-Gesellschaft Wien http://msges.at .
Dennoch ist es bei der Erstdiagnose zu wenig, Patienten mit Allgemein-Prognosen abzuspeisen. MS betrifft alle Lebensbereiche – etwa Partnerschaft und Familie mit ihren medizinischen und sozialrechtlichen Fragen, die Arbeit mit weiterhin teils falschen Ängsten der Chefs vor vielen Krankenständen oder rascher Arbeitsunfähigkeit (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20090525041 ) sowie auch die Mobilität und das Wohnen. "Alle Faktoren spielen eine Rolle, wenn es um die Entscheidung der optimalen Therapie für den Einzelnen geht", betont Vass.
Therapie nach Maß
Dass es diese Wahl überhaupt gibt, geht auf die wachsende Therapiepalette zurück, wie Ulf Baumhackl, Präsident der österreichischen MS-Gesellschaft http://msgoe.co.at , gegenüber pressetext veranschaulicht. "Für die MS-Verzögerung gibt es tägliche Injektionen, monatliche Infusionen oder seit kurzem auch Tabletten, deren Nutzen, Nebenwirkungen und Kosten man sorgfältig abwägen muss. Studien beweisen, dass diese Behandlungen den Verlauf verbessern. Die Therapietreue erfordert jedoch, dass der mündige Patient auf einer Stufe mit dem Arzt steht", so der Mediziner. Studien zufolge wollen MS-Patienten die Therapie am liebsten nicht selbst, sondern gemeinsam mit ihrem Neurologen entscheiden.
Ein Beispiel liefert Martin Geicsnet, der 1997 als 31-Jähriger die Diagnose MS bekam. Infolge von bis zu vier Schüben in den Anfangsjahren war die Chemotherapie in Diskussion, auf eigenen Wunsch und nach ärztlicher Absprache wurde jedoch ein schubreduzierendes Mittel und hochdosiertes Cortison nach jedem Schub gewählt. Mit der Entscheidung ist er zufrieden: "Die MRI-Bilder zeigen so viele Plaques, dass meine Behinderung eigentlich deutlich schwerer sein müsste als mein Istzustand. Was mir half, waren der Sport sowie der Gedanke, nach jedem Fall wieder aufzustehen." Der Informatiker wurde inzwischen Vater, baute sein Haus behindertengerecht und läuft weiterhin Marathon, was heute dank spezieller Therapiegruppen möglich ist.
Testimonials gegen falsche Vorurteile
Obwohl der Paradigmenwechsel in Therapie und Gesellschaft läuft, gibt es in manchen Bereichen noch Aufholbedarf, betonen die Experten. Einige falsche Vorurteile gegenüber der Krankheit halten sich weiterhin und erschweren Betroffenen das Leben. Zu deren Abbau will die österreichischen MS-Gesellschaft durch die soeben gestartete Aufklärungskampagne "MS-bewegt" http://ms-bewegt.at mit Plakataktionen, 365-Tage-Blogs und Videobotschaften von Betroffenen beitragen.