Fortschritt für die molekulare Elektronik: Licht an – Molekül an
Forschern aus Dresden und Konstanz gelingt das lichtgesteuerte Anschalten eines Moleküls
Mit
einzelnen Molekülen Informationen zu speichern und verarbeiten, um
daraus kleinstmögliche Bausteine zu entwickeln, die sich selbstständig
zu einem Schaltkreis zusammensetzen – daran arbeiten Wissenschaftler des
Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Universität
Konstanz. Wie sie nun in der Fachzeitschrift „Advanced Science“
berichten, konnten sie erstmalig den Stromfluss durch ein einzelnes
Molekül mit Hilfe von Licht einschalten.
Die
molekulare Elektronik wird zukünftig ein Fenster hin zu neuartigen und
immer noch kleineren und zugleich energieeffizienten Bauelementen oder
Sensoren aufstoßen, davon ist Dr. Artur Erbe, Physiker am HZDR,
überzeugt: „Einzelne Moleküle sind die kleinsten, zu einem Prozessor
integrierbaren Bausteine, die wir uns derzeit vorstellen können.“ Bis
heute jedoch ist es noch nicht gelungen, ein Molekül so maßzuschneidern,
dass es Strom leiten kann und dass sich der Strom – wie bei einem
elektrischen Schalter – gezielt ein- und wieder ausschalten lässt.
Dazu
bedarf es eines elektrisch leitenden Moleküls, bei dem sich an einer
Stelle eine ansonsten feste Bindung zwischen einzelnen Atomen löst – und
genau dann wieder schließt, wenn Energie in die Struktur gepumpt wird.
In aufwendigen Versuchen hat der Chemiker Dr. Jannic Wolf an der
Universität Konstanz herausgefunden, dass eine bestimmte
Diarylethen-Verbindung als Kandidat in Frage kommt. Die Vorteile des
rund drei Nanometer langen Moleküls: Es verdreht sich nur wenig, wenn es
seine Struktur an einem Punkt öffnet, und es verfügt über zwei
Nano-Drähte, die zur Kontaktierung verwendet werden können. Dass das
Diarylethen der Wahl in offenem Zustand keinen Strom leitet, während es
in geschlossenem Zustand zum Leiter wird und deshalb ein anderes
physikalisches Verhalten zeigt, konnten die Wissenschaftler aus Konstanz
und Dresden bei vielen reproduzierbaren Messungen erstmals für ein
einzelnes Molekül sicher nachweisen.
Rechner aus dem Reagenzglas
Eine
Besonderheit dieser molekularen Elektronik: Sie findet in einer
Flüssigkeit im Reagenzglas statt, denn die Moleküle werden in Lösung
kontaktiert. Um herauszufinden, welche Auswirkungen die
Lösungsbedingungen für die Schaltprozesse haben, war deshalb auch ein
systematisches Ausprobieren verschiedener Lösungsmittel nötig. Damit
Strom fließen kann, muss das Diarylethen an den Enden der Nano-Drähte an
Elektroden angeschlossen werden. „Wir haben dafür am HZDR eine
Nano-Technologie entwickelt, die auf hauchdünne Spitzen aus nur wenigen
Gold-Atomen setzt. Dazwischen spannen wir die schaltbare
Diarylethen-Verbindung“, erklärt Dr. Erbe.
Trifft
nun ein Lichtstrahl auf das Molekül, so schaltet es vom geöffneten in
den geschlossenen Zustand mit der Folge, dass Strom fließt. „Wir konnten
so erstmalig ein einzelnes kontaktiertes Molekül anschalten und zudem
den Nachweis erbringen, dass genau das Molekül zum Stromleiter wird, das
wir bestrahlt haben“, freut sich Dr. Erbe. „Zudem haben wir den
molekularen Schaltmechanismus sehr detailliert charakterisiert, weshalb
ich glaube, dass uns damit ein wichtiger Schritt hin zu einem echten
molekularen Elektronik-Bauteil geglückt ist.“
Das
Ausschalten klappt beim kontaktierten Diarylethen allerdings noch
nicht, doch Dr. Erbe ist zuversichtlich: „Unsere Theorie-Kollegen am
HZDR berechnen gerade, wie genau sich das Molekül verdrehen muss, damit
der Stromfluss unterbrochen wird. Gemeinsam mit den Konstanzer Chemikern
werden wir in der Lage sein, das Design und die Synthese für das
Molekül entsprechend umzusetzen.“ Allerdings handelt es sich hierbei um
Grundlagenforschung, die viel Geduld erfordert: Alleine die
Kontaktierung des Diarylethen-Moleküls mittels
Elektronenstrahl-Lithographie und die anschließenden Messungen dauerten
drei Jahre. Bereits vor rund zehn Jahren war es einer Arbeitsgruppe an
der niederländischen Universität Groningen gelungen, einen molekularen
Schalter zu bauen, der in der Lage war, den Stromfluss zu unterbrechen.
Auch dieser Aus-Schalter funktionierte nur in einer Richtung, doch
konnte damals nicht sicher nachgewiesen werden, dass die
Leitfähigkeitsänderung an genau ein Molekül gebunden war.
Nano-Elektronik in Dresden
Ein
Schwerpunkt der Forschungsarbeiten in Dresden ist die sogenannte
Selbstorganisation. „DNA-Moleküle etwa sind in der Lage, sich ohne Zutun
von außen selbst zu Strukturen anzuordnen. „Wenn es uns gelingt,
logische Schalter aus sich selbst organisierenden Molekülen zu bauen,
dann kommt der Rechner der Zukunft aus dem Reagenzglas“, prophezeit Dr.
Erbe. Die Riesenvorteile dieser neuen Technologie liegen auf der Hand:
Milliarden teure Fertigungsanlagen, wie sie für die Mikroelektronik von
heute benötigt werden, könnten dann der Vergangenheit angehören. Doch
nicht nur für die Produktion, sondern auch für den Betrieb neuartiger
molekularer Bauteile wird extrem wenig Energie benötigt.
Die
Voraussetzungen, um die molekulare Elektronik von morgen zu erforschen
und zu entwickeln, sind in Dresden mit dem hier ansässigen
Helmholtz-Kolleg NANONET sehr gut. Neben dem HZDR sind an dem
strukturierten Promotionsprogramm die Technische Universität Dresden,
das Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF), das
Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) und
die NaMLab gGmbH beteiligt.