Pressemitteilung aus dem
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) vom
25.08.2014
Messungen unter
Big-Bang-Bedingungen bestätigen Lithium-Problem
Die Astrophysik hat ein hartnäckiges
Problem und das heißt Lithium: Das Element kommt nicht in den Mengen in
Sternen vor, die rechnerisch für die Lithium-Entstehung nach dem Big
Bang vorhergesagt werden. Doch die Berechnungen stimmen – das konnte
jetzt erstmals auch experimentell im Untertagelabor im italienischen
Gran-Sasso-Bergmassiv bestätigt werden. Forscher des Helmholtz-Zentrums
Dresden-Rossendorf (HZDR) untersuchten dort in einem internationalen
Team, wieviel Lithium unter Urknall-Bedingungen entsteht. Die Ergebnisse
wurden in der Fachzeitschrift Physical Review Letters
veröffentlicht.
Lithium ist neben
Wasserstoff und Helium eines der drei Elemente, die nicht erst
innerhalb von Sternen erzeugt werden. Stattdessen – so die Theorie –
sind sie schon früh durch die „primordiale Nukleosynthese“ entstanden.
Das heißt: Im nur wenige Minuten alten Universum haben sich Neutronen
und Protonen zu den Kernen der ersten drei Elemente verbunden. Am
Laboratory for Underground Nuclear Astrophysics (LUNA) wurde die
Kernentstehung von Lithium nun von einem internationalen Forscherteam
nachgestellt. Eine führende Rolle im Team nahm Michael Anders ein, der
im vergangenen Jahr an der TU Dresden und am HZDR zu dem Thema
promoviert hat. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
geförderten Projekts wurde er dabei von Dr. Daniel Bemmerer,
Gruppenleiter am HZDR, betreut.
In dem italienischen Untertagelabor
feuerten die Wissenschaftler Heliumkerne auf schweren Wasserstoff
(sogenanntes Deuterium), um Energien wie kurz nach dem Urknall zu
erreichen. So sollte gemessen werden, wieviel Lithium unter Bedingungen
entsteht, die denen im Frühstadium des Universums ähneln. Das Ergebnis
des Experiments: Die Daten bestätigten die theoretischen Vorhersagen,
die mit den beobachteten Lithium-Konzentrationen im Universum nicht
vereinbar sind.
„Zum ersten Mal
überhaupt konnte mit unserem Experiment die Lithium-6-Produktion in
einem Teil des Urknall-Energiebereichs untersucht werden“, erklärt
Daniel Bemmerer. Lithium-6 (drei Neutronen, drei Protonen) ist eines der
beiden stabilen Isotope des Elements. Die Entstehung von Lithium-7,
welches über ein zusätzliches Neutron verfügt, wurde bereits 2006 von
Bemmerer am LUNA untersucht.
Mit den neuen Ergebnissen bleibt das
Lithium-Problem eine harte Nuss: Einerseits sprechen nun alle
Labor-Ergebnisse der Astrophysiker dafür, dass die Theorie der
primordialen Nukleosynthese korrekt ist. Andererseits zeigen viele
Beobachtungen von Astronomen, dass die ältesten Sterne in unserer
Milchstraße nur halb so viel Lithium-7 enthalten wie vorhergesagt.
Aufsehenerregende Berichte von schwedischen Forschern, die in solchen
Sternen außerdem deutlich mehr Lithium-6 entdeckten als vorhergesagt,
müssen wohl auch aufgrund der neuen LUNA-Daten noch einmal überprüft
werden. Bemmerer: „Sollten in Zukunft wieder ungewöhnliche
Lithium-Konzentrationen beobachtet werden, wissen wir dank der neuen
Messung, dass die Erklärung nicht in der Urknall-Nukleosynthese liegen
kann.“
Weitere Forschung
bald im neuen Felsenkeller-Labor in Dresden
Wichtig für die Untersuchungen war auch
die besondere Lage von LUNA: Im Bergmassiv Gran Sasso d’Italia halten
1.400 Meter Felsgestein störende kosmische Strahlung fern. Zusätzlich
ist das Labor in eine Bleihülle gekleidet. Nur durch eine solch gute
Abschirmung können die seltenen Wechselwirkungen zwischen den Kernen
präzise erfasst werden. Schon im nächsten Jahr soll aber auch in Dresden
ähnliche Forschung möglich sein. Dann wollen die Technische Universität
Dresden und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf das
Beschleunigerlabor „Felsenkeller“ in Betrieb nehmen. In dem ehemaligen
Brauerei-Keller schirmen zwar nur 45 Meter Fels die natürliche Strahlung
ab, dies reiche laut Bemmerer vom HZDR für viele Messungen aber bereits
aus. Zudem habe das neue Labor einen mehr als zwölfmal so starken
Teilchenbeschleuniger zu bieten: „Dort können wir dann unsere
Experimente erweitern und die Entstehung der Elemente in höheren
Energiebereichen erforschen.“