Maßnahmen zur Vorsorge und Gesundheitsförderung

Die deutsche Sprache ist in vielen Dingen unmissverständlich. Ein Gesundheitsministerium ist ein Ministerium für Gesundheit. Ein Gesundheits-Fonds ist ein Fonds, der zur Förderung und Aufrechterhaltung der Gesundheit die entsprechenden Mittel bereitstellt. Gesundheitsreformen sind Maßnahmen, die die Gesundheit in der Bevölkerung weiter optimieren sollen.

Die Realität im Deutschland des Jahres 2008 ist ganz anders, eine irreführende. Das Gesundheitsministerium ist ein Krankheitsministerium. Es beschäftigt sich primär damit, wie die Behandlung kranker Menschen finanzierbar bleibt. Der Gesundheits-Fonds ist ein Krankheits-Fonds, der aber zumindest ein gesundes Maß an demokratischer Diskussion ausgelöst hat. Und die so genannten Gesundheitsreformen waren bisher kaum mehr als Kosten-Umverteilungen, um die Behandlung kranker Bundesbürger zu finanzieren.

Die Prävention zur Gesunderhaltung ist dagegen auch 2008 politisch noch nicht gesellschaftsfähig. Das Präventionsgesetz zur Stärkung der Vorsorge und Gesundheitsförderung, seit Jahren in Politik wie auch maßgeblichen Gesundheitskreisen heftig diskutiert, wurde erneut und auf unbestimmte Zeit verschoben. So bleibt es wohl weiterhin dabei, dass allein die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) den vorgegebenen Betrag für "Engagement in der Prävention und Gesundheitsförderung" von Euro 2,74 pro Jahr und Versichertem (SGB V, § 20) ausgeben werden. Das sind zirka 0,2 % der GKV-Gesamtausgaben – völlig unzulänglich für eine wirksame, breit angelegte Gesundheits-Vorsorge.

Dem gegenüber steht eine dramatische, pandemische Ausbreitung chronischer Stoffwechsel- und Gefäßkrankheiten, allgemein unter dem Begriff "Metabolisch-vaskuläres Syndrom" zusammengefasst: Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechsel-Störung, Typ 2 Diabetes – auch als "tödliches Quartett" bezeichnet. Seriöse Hochrechnungen zeigen, dass jeder Zweite im Jahr 2000 geborene Bundesbürger an einem Diabetes mellitus erkranken und aufgrund der Komplikationen vor seinen Eltern sterben wird. Nur eine vernünftige Trendwende des persönlichen Verhaltens, d.h. eine Abkehr von einem ungesunden Lebensstil, kann unsere Gesundheit entscheidend positiv beeinflussen. Das bedeutet vor allem: Mehr Bewegung, eine sinnvolle reduzierte Ernährung, möglichst weniger Stresssituationen in Beruf und Alltag.

Unter Experten ist unbestritten, dass gesundheitliche Prävention kommen muss und kommen wird. Die Frage der Bezahlbarkeit wird dabei schnell in den Hintergrund treten, denn die Kosten der Kuration (also der Behandlung von Krankheiten) – allein für den Problemkomplex Metabolisch-vaskuläres Syndrom – werden in dramatische und auch volkswirtschaftlich unverträgliche Größenordnungen entgleiten. Allein für Diabetes (mit allen Folgen) betragen die Gesamtkosten in Deutschland derzeit etwa 60 Milliarden Euro.

Eine echte Gesundheitspolitik, die den Namen auch wirklich verdient, muss politisch ganz oben angesiedelt werden. Sie sollte Chefsache sein und gehört somit ins Kanzleramt. Das "Gesundheitswesen" muss radikal umgestaltet werden und – Prävention und Gesundheitsförderung eingeschlossen – als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen werden. Damit sind gesundheitspolitisch, neben dem "zuständigen" Ministerium, gleichermaßen die Bildungs-, Arbeits-, Verbraucherschutz-, Familien-, Wirtschafts-, Verkehrs-, Umwelt-, Entwicklungs- und Forschungsressorts gefragt, die an einem Strang ziehen müssen.

"Prävention ist die einzige Möglichkeit, um die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und die Finanzierung des Gesundheitswesens nachhaltig zu sichern", heißt es in der neuen Broschüre "Prävention vor Kuration. Gesundheit 2010 – unsere Chance", herausgegeben von der Deutschen Diabetes-Stiftung (DDS) mit dem Nationalen Aktionsforum Diabetes mellitus (NAFDM) und der Arbeitsgemeinschaft Prävention des Diabetes mellitus Typ 2 der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG). Die 52seitige Broschüre (ISBN 978-3-87490-811-5) kann für 7,50 € ab sofort im Buchhandel bestellt werden.

Die Autoren von "Prävention vor Kuration" plädieren für eine rasche, radikale Änderung des Gesundheitssystems und zeigen auf, wie eine nachhaltige Gesundheitsförderung aussehen könnte: Welche Struktur notwendig ist, um gesundes Leben für alle erlebbar zu machen – auf lokaler, regionaler und bundespolitischer Ebene. Wie und mit welchen Maßnahmen die Bevölkerung für ein gesundheitsbewussteres Leben sensibilisiert werden kann. Wie Krankheitsrisiken früh erkannt und damit Folgen verhindert oder gemindert werden können. Sie zeigen aber auch auf, dass die Etablierung eines nationalen Präventions-Programms ein langfristiger Plan ist, dessen Umsetzung 5 bis 10 Jahre beanspruchen wird und Investitionen (in die Gesundheitswirtschaft) erfordert.
Die vergangenen 50 Jahre haben gezeigt, dass mit reiner Aufklärung und Beratung über Ernährungs- und Bewegungsverhalten keine nachhaltigen Erfolge erzielt wurden.

Erste Modellprojekte sollen nun belegen, wie mit einem qualifizierten, strukturierten und zertifizierten Gesundheitsmanagement Fortschritte zu erzielen sind. Wie Menschen ihre bisherige Lebensweise in eine gesündere überführen können; eingedenk der neurowissenschaftlichen Erkenntnis, dass es rund sechs Wochen dauert, bis sich aus einem ersten Vorsatz eine zuverlässige Gewohnheit etablieren kann. Zum Beispiel die zu mehr Freude am Leben durch regelmäßige Bewegung bei einer ausgewogenen Ernährung.