Investitionen in Bildung und Forschung sichern – Mit einem Schreiben von Jean Pütz

Sehr geehrte Kollegen von der Presse der vier Forschungsorganisationen,

die Forderung der Präsidenten der vier außeruniversitären Forschungsorganisationen unterstütze ich. Allerdings habe ich einen entscheidenden Verbesserungsvorschlag. Dabei frage ich mich, warum die Politiker noch nicht auf diese Idee gekommen sind.

Ich schlage vor, folgende Bereiche aus der notwendigen Schuldenbremse von 3% herauszunehmen und dafür die Grenze auf 2% zu reduzieren, und zwar gehören dazu unbedingt die für Deutschlands Zukunft entscheidenden Bereiche: Wissenschaft, Forschung, Bildung und Infrastruktur. Diese dürfen auf keinen Fall – auch in Zeiten von Rezessionen – gekürzt werden. Jeder Betrieb, sei er noch so klein, der die Zukunftsinvestitionen vernachlässigt, verliert recht bald seine Konkurrenzfähigkeit und wird insolvent. Ich halte die sogenannte ’schwarze Null‘ für notwendig, aber welchen Schaden sie angerichtet hat, sieht man nicht nur in der Bildung mit dem Lehrermangel und den maroden Schulgebäuden, sondern auch in der Infrastruktur was Straßen- und Brücken-Erhaltung und -Neubau anbelangt, sondern auch im Schienennetz der Bahn und der mangelnden Breitband-Versorgung im IT-Bereich. Gleiches gilt für Aufgaben in der Forschung und Wissenschaft.

Was Bildung anbelangt, so bin ich ein persönliches Beispiel: Ich machte in den 50er Jahren eine Lehre als Elektromechaniker – heute Mechatroniker genannt – mit Abschluss Gesellenprüfung, arbeitete anderthalb Jahre in einem Eisenhüttenwerk, beides  in Luxemburg. Nach einer Sonderbegabtenprüfung absolvierte ich ein Studium zum Dipl.-Ingenieur für Energie- und Nachrichtentechnik, nach einem Externen-Abitur ein Doppelstudium an der Universität zu Köln als Lehrer für Mathematik und Physik mit 1. und 2. Staatsexamen für das Lehramt und parallel dazu ein 8-jähriges Studium der empirischen Soziologie und Volkswirtschaft ebenfalls an der Universitä zu Köln.

Diese Studien wurden mir nur durch eine staatliche Förderung im Rahmen des Lastenausgleichs und Honnefer-Modell (Barfög) ermöglicht. Insgesamt erhielt ich 35.000 Mark.

Nach Beginn meiner Berufstätigkeit konnte ich in 5  Jahren in Form von Rückzahlung und Steuern meine Schulden begleichen. Seitdem erzielt der Deutsche Staat von mir durch Steuern eine Rendite von mindestens 500% auf die geförderte Summe. Das beweist meiner Ansicht nach, wie sehr sich Investitionen in die Bildung langfristig rentieren. Das gilt für alle drei anderen Bereiche.

Deshalb halte ich es für unbedingt notwendig, dass diese Bereiche aus dem Schuldenkanon herausgenommen werden, im Interesse der Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder.

Das schreibe ich nur, um ein Argument dafür zu liefern, wie katastrophal sich eine Einsparung auf diesem Gebiet auswirkt. Bitte teilen Sie das Ihren Präsidenten mit, vielleicht ist das ein Anstoß – insbesondere jetzt, wo sich eine Rezension anzubahnen scheint.

Diese Methode würde auch den ost- und südeuropäischen Staaten helfen, ihre Schuldenbremsen besser zu bewältigen. Denn dort sehe ich die Demokratie grundsätzlich in Gefahr. Wenn man bedenkt, dass z. b. im italienischen Apulien eine Jugendarbeitslosigkeit von über 40% herrscht im Gegensatz zu uns in Deutschland und in allen Staaten, in denen ein geniales duales Ausbildungssystem eingeführt wurde. Das in den Problem-Staaten zu initiieren, halte ich für unbedingt notwendig – auch in Anbetracht des Handwerkermangels, der sich in Europa immer mehr abzeichnet.

Ich hoffe, dass Ihre Präsidenten mit ihrer Beziehung zur Politik das in die Diskussion mit einbringen.

Ihr Jean Pütz

Gemeinsame Stellungnahme der Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft, 27. März 2019

Investitionen in Bildung und Forschung sichern

Im Koalitionsvertrag hatte sich die Regierungskoalition darauf verständigt, bis 2025 Investitionen in Forschung und Entwicklung in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen, damit Deutschland ein attraktiver Forschungs- und Innovationsstandort bleibt. In einer gemeinsamen Stellung­nahme appellieren die Präsidenten der vier außeruniversitären Forschungs­organisationen Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaft sowie Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft an die Große Koalition, von diesem Ziel nicht abzurücken. Investitionen in Bildung und Forschung müssen weiterhin Priorität haben.

Der Koalitionsvertrag hat bei allen Akteuren in Forschung, Entwicklung und Innovation große Hoffnungen geweckt. Denn er gibt wichtige Signale in Zeiten großen Umbruchs, in denen es darum geht, die Weichen für die Zukunft zu stellen. So sieht der Koalitionsvertrag vor, bis 2025 Investitionen in Forschung und Entwicklung in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen, damit Deutschland ein attraktiver Forschungs- und Innovationsstandort bleibt. Angesichts des Aufstiegs Chinas als neuer Weltwirtschafts- und Technologiemacht neben den USA ist das für den Standort Deutschland die richtige Antwort. Bildung, Forschung und Innovation sind tragende Säulen des gesellschaftlichen Wohlstands und der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, sie sind von zentraler Bedeutung für die Zukunft. Dadurch entstehen neue Arbeitsplätze, neue Wertschöpfung und neue Lösungen für die gegenwärtig großen Herausforderungen wie Klimawandel und Energiewende, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz oder die Erforschung von Volkskrankheiten.

Deutschland zählt heute zu den erfolgreichsten Ländern in Bildung, Wissenschaft, Innovation und Wirtschaft. Unser Land ist attraktiv für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit. Denn die öffentliche Hand hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich investiert und so glaubhaft vermittelt, dass Forschung und Innovation Priorität haben. Daran hat die Wissenschaftspolitik des Bundes erheblichen Anteil, die seit 2006 konsequent und nachhaltig auf die Stärkung des nationalen Wissenschaftssystems gesetzt hat. Diese Politik hat auch dazu beigetragen, schwere Zeiten wie die Finanzkrise 2008 zu meistern. So wurde antizyklisch in die Zukunft investiert, was heute mehr denn je notwendig ist. Die Industrie hat das bereits erkannt und engagiert sich wie selten zuvor. Nun darf auch der Bund in seiner bisher großen Anstrengung nicht nachlassen. Derzeit trüben sich doch einige Eckdaten der wirtschaftlichen Entwicklung ein. Für eine exportorientierte, rohstoffarme Nation wie Deutschland, deren wertvollstes Kapital seine begabten, erfindungsreichen und hart arbeitenden Menschen sind, bedarf es gerade jetzt einer konsequenten Investition in Forschung, Entwicklung und Innovation. Nur so können wir unseren wirtschaftlichen Wohlstand sichern und dem scharfen internationalen Wettbewerb insbesondere mit dem asiatischen Kontinent standhalten.

Als ein fatales Signal sehen wir die geplanten Haushaltseinschnitte beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die allein im kommenden Jahr 600 Millionen Euro betragen sollen. Wachsen sollen nahezu alle Etats des künftigen Bundeshaushalts, Arbeit & Soziales, Familie & Senioren, Verteidigung, Verkehr; gekürzt wird dagegen bei Forschung und Entwicklung. Eine solch massive Reduzierung der Finanzmittel gefährdet den Wissenschafts- wie Wirtschaftsstandort Deutschland gerade angesichts der bevorstehenden gravierenden Veränderungen in den deutschen Schlüsselindustrien (insbesondere der Automobilindustrie). Die hohe Leistungsfähigkeit von Bildung, Forschung und Innovation in Deutschland muss gehalten und weiter ausgebaut werden. So können wir Wissen für die Zukunft schaffen. So können wir unseren Transfer in vielfältige Anwendungen steigern. So können wir die besten Talente aus dem In- und Ausland gewinnen und für anspruchsvolle Aufgaben in Wirtschaft und Gesellschaft qualifizieren.

In Zeiten des demographischen Wandels wird eines von zentraler Bedeutung sein: begabte Menschen nach Deutschland zu holen, um hier gemeinsam mit uns die Zukunft zu gestalten. Exzellente Wissenschaft benötigt solide und langfristig gesicherte Rahmenbedingungen. Sind diese nicht vorhanden, wandern talentierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an andere Standorte ab. Deutschland kann und darf sich das nicht leisten.

Was wir jetzt benötigen, ist der Mut, nach vorne zu schauen und attraktive Arbeitsplätze in innovativen Bereichen zu schaffen. Wichtige politische Richtungsentscheidungen sind getroffen: die neue Agentur für Sprunginnovationen, die KI-Strategie der Bundesregierung, die weitgehend ausverhandelten Pakte für Hochschulen sowie Forschung und Innovation. Doch sie müssen nun auch entsprechend finanziell ausgestattet werden. Denn nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sind wir weiterhin als Standort attraktiv. Wir unterstützen nach Kräften die Bemühungen der Bundesforschungsministerin und der Forschungspolitikerinnen und -politiker, beim Haushalt die richtigen Prioritäten zu setzen.

Reimund Neugebauer (Fraunhofer-Gesellschaft)

Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft)

Matthias Kleiner (Leibniz-Gemeinschaft)

Martin Stratmann (Max-Planck-Gesellschaft)