fzm – Wer am Wochenende zu einem Waldspaziergang aufbricht, erwartet
dort Erholung in der heimischen Flora und kann, wenn er Glück hat,
einige Exemplare der einheimischen Fauna erspähen. Er ist sich
vielleicht auch der Risiken bewusst, die durch Zeckenbisse oder den
Verzehr einiger Pilzarten drohen. Niemand rechnet jedoch damit, sich
mit einer exotischen Erkrankung zu infizieren, die von einem Bakterium
ausgelöst wird, das erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde. Doch genau
dies ist möglich. Wie eine Expertengruppe um Prof. Rüdiger Braun,
Stuttgart, in der DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart, 2005) berichtet, wurde im Jahr 2001 im Schönbuch,
einem beliebten Naherholungsgebiet bei Stuttgart, ein Bakterium
entdeckt, das bei Hirschen und Rehen zu Fieber und eitrigen
Erkrankungen des Fells führt. Nach seinem Entdeckungsort wurde der
Erreger Bartonella schoenbuchensis genannt, und gehört damit zu einer
Bakterienart, die auch beim Menschen sehr ungewöhnliche Krankheiten
verursacht. Dazu gehört etwa die Peruwarze (Verruga peruviana). Sie
wird von B. bacilliformis ausgelöst und ist in Südamerika verbreitet.
Überträger ist eine bestimmte Sandmücke, die nur in den nördlichen
Anden in Höhen zwischen 1000 und 3000 Metern verbreitet ist. B.
bacilliformis kann auch das tödliche Oroya-Fieber auslösen. Eine andere
exotische „Bartonellose“ ist das Wolhynische Fieber, benannt nach einer
heute zur Ukraine gehörenden Region, in der im Ersten Weltkrieg die
Kriegsfront verlief. In den Schützengräber grassierte damals eine
hochfiebrige Erkrankung, die vielen Soldaten das Leben kostete.
Auslöser war B. quintana. Überträger waren Wühlmäuse. Das Wolhynische
Fieber gibt es heute noch: Nach Angaben Prof. Brauns tritt es
gelegentlich im Obdachlosenmilieu von Großstädten auf.Des weiteren sind
Bartonellen die Auslöser der Katzenkratzkrankheit, einer
Lymphknotenschwellung nach einer Kratzverletzung durch eine infizierte
Hauskatze.Könnte nicht auch B. schoenbuchensis Menschen infizieren?
Dies wurde lange vermutet, konnte aber erst kürzlich bewiesen werden,
wie Prof. Braun erläutert. Die Gefahr bestehe nach einem Stich der
Hirschlausfliege. Das 5-6 mm lange braune Insekt ist der Überträger von
B. schoenbuchensis. Nach dem Stich kann es – ähnlich wie im Fell des
Rotwilds – zur Bildung von Pusteln auf der Haut kommen. Ob die
Bakterien weitere Schäden im Körper anrichten, ist unbekannt. Prof.
Braun schließt dies mit Blick auf die anderen Erkrankungen jedoch nicht
aus. Denkbar sei sogar ein Befall der Herzklappen (Endokarditis).
Gefährdet ist jedoch weniger der gelegentliche Spaziergänger als
vielmehr Personen, die beruflich im Wald tätig sind, etwa Förster. Bei
ihnen sollten Ärzte deshalb bei unklaren Erkrankungen auch an die
Möglichkeit einer exotischen Infektion mit dem erst kürzlich entdeckten
Erreger denken und entsprechende Tests durchführen, rät der Kollege
Prof. Braun.D. Hassler.
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (1/2): 13 Weitere Themen in der DMW 1/2: