Herkunftskennzeichnung von vorverpacktem Frischfleisch

Herkunftskennzeichnung von vorverpacktem Frischfleisch
Jetzt wird’s ernst
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(aid)
– In vielen europäischen Ländern ist es Tradition, seine Mitmenschen am
1. April durch erfundene Informationen zum Narren zu halten. Selbst
einige Zeitungen sowie Radio- oder Fernsehsender frönen mittlerweile
diesem Brauchtum, wobei es Lesern beziehungsweise Hörern meist gelingt,
anhand übertriebener Details den fehlenden Wahrheitsgehalt einer Meldung
zu erkennen.

Wer sich allerdings mit dem
Lebensmittelkennzeichnungsrecht beschäftigt, weiß, dass es hier so
manche Regelungen gibt, die an Detailverliebtheit kaum zu überbieten
sind. Es sei also vorwegschickt: Ein Aprilscherz ist die ab 1. April
2015 geltende Pflicht zur Herkunftskennzeichnung von Frischfleisch der
Tierarten Schwein, Geflügel, Schaf und Ziege nicht. Sie basiert auf der
EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) und betrifft
unverarbeitetes Fleisch, das in Fertigpackungen verkauft wird. Ist das
Fleisch bereits mariniert oder zu Wurst verarbeitet, entfällt die neue
Pflichtkennzeichnung.

Auf dem Etikett gekennzeichnet werden
muss der Ort der Schlachtung, die Partie sowie die Angabe "Aufgezogen
in: [Name des Mitgliedstaates bzw. Drittlandes]". Informationen zum
Geburtsort der Tiere sind – anders als bei der seit 2000 bestehenden
Herkunftskennzeichnung bei Rindfleisch – nicht vorgeschrieben. Hierzu
beruft sich die EU-Kommission auf die Ergebnisse einer eigens
beauftragten Studie, nach denen der Verbraucher insbesondere am
Aufzuchtort der Tiere interessiert sei. Was wiederum konkret als Ort der
Aufzucht gilt, hängt sowohl von der Tierart als auch vom Alter und dem
Gewicht des Tieres vor der Schlachtung ab. So ist beispielsweise der
Aufzuchtort eines Schweines, das im Alter von zehn Monaten geschlachtet
wird und die letzten vier Monate seines Lebens in Deutschland verbracht
hat, Deutschland – selbst wenn das Tier den größeren Teil seines Lebens
in einem anderen Land verbracht hat.

Weitere Sonderregelungen
betreffen etwa die Kennzeichnung von Hackfleisch der besagten Tierarten:
Hier genügt die Angabe, dass das Fleisch von Tieren stammt, die "in der
EU" oder "außerhalb der EU" aufgezogen und geschlachtet wurden – im
Falle von Rinderhackfleisch gelten hingegen dieselben Vorgaben wie bei
gewachsenem Rindfleisch. Die EU-Kommission begründet den Verzicht auf
einzelne Teilinformationen aus der Produktionskette mit den daraus
resultierenden finanziellen Mehrbelastungen für Unternehmer und
Behörden, die sich schließlich auch im Verkaufspreis der Erzeugnisse
niederschlagen würden.

Vielleicht aber steht auch der Gedanke
dahinter, keine weiteren Detailregelungen treffen zu wollen, die
Rechtsanwender, also Hersteller und Händler, sowie Verbraucher
überfordern könnten. Damit sich diese übrigens künftig nicht mehr alle
Nase lang auf neue Pflichtangaben umstellen müssen, hat der
EU-Gesetzgeber mit der LMIV einen "labelling day" aus der Taufe gehoben:
Kennzeichnungsänderungen, die die EU-Kommission auf Grundlage der
Verordnung erlässt, sollen stets zum 1. April Geltung erlangen.
Eigentlich eine schöne Idee, die jedoch schon wegen der oftmals
zugestandenen Übergangsfristen etwas an Praxiswert verliert. Davon
abgesehen mutet der gewählte Stichtag – 1. April – schon etwas skurril
an, bietet er doch Kritikern eine Steilvorlage für hämische Kommentare.
Dr. Christina Rempe