deutlich unter
zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit – auf diesen
Wert soll die Erderwärmung laut Pariser Klimaabkommen begrenzt werden.
Ein aktueller Sonderbericht des Weltklimarates zeigt jedoch, dass sich
die globale Temperatur bereits jetzt um ein Grad Celsius erhöht hat. In
einer Studie konnte ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für
Technologie (KIT) und der Universität Edinburgh zeigen, dass die
bisherigen Bemühungen, Treibhausgase durch die Landnutzung des Menschen
zu reduzieren, unzureichend sind. Ihre Ergebnisse stellen sie in der
Fachzeitschrift Nature Climate Change vor (DOI: 10.1038/s41558-019-0400-5).
„Ein Viertel der vom
Menschen verursachten Treibhausgase stammen aus der Landnutzung und dem
damit verbundenen massiven Abbau von natürlichen Kohlendioxidsenken“,
sagt Dr. Calum Brown vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung –
Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT.
Weniger Wälder aufgrund von Entwaldung und intensive Land- und
Weidewirtschaft haben ebenso einen Anteil am Klimawandel, wie fossile
Kraftwerke und Verbrennungsmotoren. „Ob wir die Klimaziele des Pariser
Abkommens erreichen, hängt daher auch erheblich davon ab, ob es uns
gelingt, grundlegende, nachhaltige Veränderungen im Landnutzungssystem
durchzusetzen.“ Gemeinsam mit der Universität Edinburgh hat das KIT
untersucht, wie die Länder, die das Pariser Klimaschutzabkommen
unterzeichnet haben, entsprechende Maßnahmen planen, einführen, umsetzen
und welche Wirkungen diese auf den Klimawandel haben könnten.
„Unsere Studie zeigt,
dass wir schnelle aber realistische Lösungen finden müssen, um die
Landnutzung durch den Menschen nachhaltig zu verändern, wenn wir die
Klimaziele noch erreichen wollen“, betont Brown. Bisher haben etwa 197
Länder national festgelegte Beiträge (engl. Nationally Determined
Contributions, NDC) ausgearbeitet. Die häufigsten Maßnahmen zielen
darauf ab, Abforstungen deutlich zu verringern, großräumige Flächen
wieder aufzuforsten und Treibhausgase aus der Landwirtschaft zu
reduzieren. So wollen beispielsweise Indien und China in den nächsten
Jahren eine Fläche bis zu 40 Millionen Hektar wieder aufforsten. „Wälder
speichern große Mengen Kohlendioxid aus der Luft und können so unter
anderem die Treibhausgase aus der Landwirtschaft reduzieren“, so Brown.
Politische und wirtschaftliche Interessen führen zu Verzögerungen
„Diese Pläne könnten
jedes Jahr bis zu 25 Prozent der Treibhausgase durch menschliches
Handeln entfernen“, erklärt Brown. „Jedoch braucht es häufig Jahrzehnte,
bis sich Veränderungen zeigen – viel zu lange, um den Klimawandel wie
gefordert zu entschleunigen.“ Hinzu komme, dass es keinen verbindlichen
Rahmen für NDC gäbe: Sie müssen nicht nachweislich erreichbar sein und
haben in den meisten Fällen keinen definierten Umsetzungsplan. „Hier
liegt auch die vielleicht größte Bedrohung für das Erreichen des 1,5
Grad-Ziels“, sagt der Klimaforscher. „Der Zeitrahmen des Klimaabkommens
überschreitet den kurzfristigen Charakter politischer Entscheidungen.“
Häufig können NDC ihre Wirkung nicht entfalten, weil Entscheidungsträger
konkrete Maßnahmen gegen die Erderwärmung bei einem Politikwechsel
wieder aufgeben oder zurückziehen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist
der angekündigte Rückzug der USA aus dem Pariser Abkommen.
Ebenso können
wirtschaftliche Interessen nationale politische Ziele verschieben. So
steigt die Abforstung tropischer Wälder in vielen Ländern wieder an: In
Brasilien um 29 Prozent, in Kolumbien sogar um 44 Prozent. Ein Grund ist
beispielsweise der Anbau von Ölpalmen. „Die Zahlen stehen im krassen
Gegensatz zu der Tatsache, dass viele Länder die Abforstung im Zuge des
Klimaabkommens verringern wollten“, so Brown. „Das legt den Schluss
nahe, dass viele Pläne zur Abschwächung der Folgen des
Landnutzungssystems von Anfang an unrealistisch waren.“ Daher gebe es
bisher auch keinen bis kaum Fortschritt, in manchen Fällen habe sich die
Situation in den letzten drei Jahren sogar verschlechtert: „Die
globalen Kohlendioxidemissionen sind in den Jahren 2017 und 2018 wieder
angestiegen, nachdem sie bereits gesunken waren.“
Aus Erfahrungen realistische Ziele formulieren
Unrealistische Ziele,
politische Entwicklungen und Fehler in der praktischen Umsetzung
beeinflussen den Erfolg der bisherigen NDC. Hier könnten vor allem
empirische Studien und konkrete Fallstudien helfen: „Diese
berücksichtigen Zeitverzögerungen bei der Findung und Umsetzung
politischer Entscheidungen und können helfen, realistische Maßnahmen zu
beschließen“, sagt Brown. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Bereitschaft
der betroffenen Menschen vor Ort, Innovationen in Technologien,
Landwirtschaft oder Politik einzuführen. „Pläne, um den Effekt der
anthropogenen Landnutzung auf den Klimawandel zu senken, sollten daher
immer klare offensichtliche und unmittelbare Vorteile für Landwirte,
Kleinbauern und Förster schaffen, denn sie können die Landnutzung aktiv
nachhaltig verändern.“
Originalpublikation:
Calum Brown, Peter
Alexander, Almut Arneth, Ian Holman and Mark Rounsevell: “Achievement of
Paris climate goals unlikely due to time lags in the land system” in:
Nature Climate Change