Dazu eine ausführliche Studie inkl. eines persönlichen Briefes an den Physiker Prof. Sigismund Kobe, der sie mir zugesendet hat
Lieber Sigismund,
diese Antistudie zu AGORA ist eine Sensation. Prof. Holger Watter hat alles zusammengetragen, was ich seit Jahren fordere. Doch es wurde sogar vom Öffentlich-Rechtlichen WDR, als ich die Redakteure auf diese notwendige physikalische und soziologische Einbindung dieses Wunschdenkens aufmerksam machte, völlig verworfen, denn die meisten Journalisten berufen sich auf die AGORA-Studien. Die AGORA-Vereinigung ist eine Katastrophe für Deutschland. Aus Political Correctness Gründen hat diese im wahren Sinne Wolkenkuckucksheime betätigt, die von der Grünen-Ideologie und vielen NGOs als unzulässige Einmischung stets gebrandmarkt wird. Damit räumt diese Anti-AGORA-Studie von Prof. Watter radikal auf. Ich bin glücklich, dass er sich diese Mühe gemacht, denn auch viele durch öffentliche Gelder finanzierte Forschungsinstitute haben populistisch diesen AGORA-Schwachsinn unterstützt, z. B. das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel. Meine kurze Anfrage, wo eigentlich die Speicher für Elektrizität sind, die die Phasen überbrücken, in denen Sonne, Wind und Wasserkraft nicht mitspielen. In der Öffentlichkeit wird immer auf grünen Wasserstoff verwiesen, aber wie das umgesetzt werden soll, wird niemals präzisiert.
Leider habe ich keine Antwort bekommen. Als ich per Telefon nachharkte, war die einzige Ausrede, die sie finden konnten, das europäische Hochspannungsverbundnetz unter der Maßgabe, dass in Moldawien die Sonne etwa sechst Sunden früher aufgeht, als in Portugal unter. Einfach lächerlich. Alles das wird in der Watter-Studie ausgeräumt. In der Regel wird auch kaum unterschieden zwischen Primär-Energie für den Wärmebedarf von Gebäude und Industrie, soll das alles demnächst durch regenerative elektrische Energie gespeist werden?
Dann ist noch die wesentliche Gefahr des in der Studie angesprochenen elektrischen Blackouts, die Deutschland zu einem industriellen Entwicklungsland degradiert.
Dein Jean Pütz
Wer haftet für fehlerhafte oder unvollständige Energiewendestudien?
Klimawandel und Energiewende sind die bestimmenden Größen in der gesellschaftlichen Diskussion und stellen anerkanntermaßen eine nationale und internationale Herausforderung dar. Energiewendestudien geben für Medien, Wirtschaft und Politik wichtige Beratungs- und Unterstützungshilfestellungen. Die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig ein belastbares Erwartungsmanagement und der Umgang mit Zielkonflikten für gesellschaftliche Veränderungsprozesse und das Konfliktmanagement sind.
Die sog. „AGORA-Studie für ein Klimaneutrales Deutschland 2045“ wurde daher vom Arbeitskreis Energie und Naturschutz, der Bildungsinitiative Nachhaltigkeit sowie Professoren der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und der Hochschule Flensburg einem Evaluationsprozess nach wissenschaftlichen Standards unterzogen. Nachfolgend die Kommentierungen und Empfehlungen als Kurzfassung sowie der vollständige OFFENE BRIEF mit ausführlichen Begründungen zu diesem sog. „Peer-Review“. Im Nachgang sollten auch Haftungsfragen im Hinblick auf den politischen Beratungsprozess und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen und Wirkungen geprüft werden.
1. Einladung zum wissenschaftlichen Diskurs
Die AGORA war bekanntermaßen im antiken Griechenland der zentrale Fest-, Versammlungs- und Marktplatz einer Stadt. Im Sinne eines “wissenschaftlichen Marktplatzes” soll auf die anliegenden Fragen und Unklarheiten hingewiesen und in einen wissenschaftlichen Dialog auf diesem „Marktplatz“ eingetreten werden.
„Wissenschaft“ ist die Suche nach der Wahrheit, der intellektuelle Exkurs in der Sache, das Abwägen und Hinterfragen von Argumenten von Pro und Contra, die Bewertung von Risiken und Nebenwirkungen … DIE WELT schreibt dazu am 10. August 2021: „Die Weisheit der Vielen funktioniert nur dann, wenn das Urteil der Einzelnen unabhängig voneinander getroffen wird. Diese Voraussetzung ist allerdings verletzt, wenn die Einzelnen einen Anreiz haben, bestimmte Urteile nicht zu äußern bzw. bestimmte Ergebnisse nicht zu publizieren.“….
1.2 Kurzfassung: AGORA – wir haben ein Problem ….
„Um sich ein umfassendes Bild über die Erfolgswahrscheinlichkeit der Energie-, Verkehrs- und Klimawende zu machen, müssen vier Bilanzen beachtet werden. Wieviel Energie, Kohlendioxid, Rohstoffe und Geld muss investiert werden, um das Ziel zu erreichen (vgl. Abschn. II.2)? Die Studie sagt hierzu nichts.
Das ist wie bei einer Marsmission, in der eine Studie über den Treibstoffbedarf befriedigend gelöst ist, jedoch Aussagen zum Sauerstoffbedarf und zum Nahrungsbedarf fehlen – es droht das Scheitern der Mission.
Dies ist deswegen problematisch, weil sich die Politik darauf verlässt, dass ihre Zielvorgaben tatsächlich erreichbar sind. Fehlen Studien, die die Erreichbarkeit von Klimazielen auf methodisch belastbare Weise untersuchen, gerät die Politik in einen Blindflug. Im Ergebnis drohen volkswirtschaftlich extrem teure Fehlentscheidungen, die private und öffentliche Haushalte nachhaltig belasten, ohne dass Treibhausgasemissionen so stark absinken wie vom Gesetzgeber angestrebt. Ferner entstehen hohe Risiken für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit, der kritischen Infrastruktur, mit unabsehbaren Folgen bei einem langandauernden und großflächigen Stromausfall mit einer Gefährdung von Gesundheit und Leben der Bevölkerung.
Um die Orientierung darüber, welchen Mindestanspruch wissenschaftliche Institute anstreben sollten, zu erleichtern, haben wir in Abschnitt II einen Katalog von sieben Forderungen an Energiesystemstudien formuliert. Danach formulieren wir ausführliche Fragen, ….. Exemplarisch benennen wir hier einige offene Fragen, die Ihre Studie aufwerfen.
Es fehlen weitere, unabdingbare Gesichtspunkte zur ganzheitlichen Bewertung, ohne die eine derartige Studie zur Klimaneutralität leider nur ein Mosaikstein darstellt, anhand dessen das Gesamtbild bestenfalls erraten werden kann. Exemplarisch seien genannt:
1. Die zugrunde gelegten Bedarfsprognosen an elektrischer Energie und Wasserstoff liegen deutlich unter den Prognosen anderer Institute und den Angaben der Chemie- und Stahl-Hersteller (vgl. Ziffern II.1 und III.1). Sie lässt keinen Raum für das Aufkommen neuer Technologien und deren potenziellen Energiebedarf. Von einer zu niedrigen Prognose gehen erhebliche Risiken für die Versorgungssicherheit und die Wirtschaft aus. Sensitivitäten werden nicht diskutiert.
2. Der technologische Lösungsraum wird viel zu eng definiert. Bestimmte, international anerkannte Methoden zur Erreichung von Klimaneutralität werden nicht im Ansatz diskutiert. Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit, zu den sozialen Auswirkungen, zur Versorgungssicherheit und zum Risikomanagement werden daher nicht am Stand der Technik diskutiert oder fehlen völlig. Es fehlt eine Gesamtkostenanalyse der verschiedenen Szenarien. Damit bleibt Politik und Bürgern unklar, ob das vorgestellte Szenario überhaupt finanzierbar ist, oder ob es mit dem weitgehenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft einherginge.
3. Die Autoren ignorieren vollständig, dass auch die Nutzung der Umgebungsenergien mit schädlichen Auswirkungen auf die Biosphäre und den Menschen verbunden sind. Die Gefahren für den Erhalt der Artenvielfalt und für die Gesundheit der Bevölkerung beispielsweise durch Infraschall aus Windkraftanlagen werden außer Acht gelassen und unzureichend erforscht (vgl. Abschn. II.4). Auch die ethische Dimension, dass eine Versorgung mit Solar- und Windenergie wesentlich von der Größe der verfügbaren Flächen abhängt, und Energieverbrauchswachstum dann künftig nicht mehr befriedigt werden kann, wird ignoriert. Der Staat übersieht eine Vorsorgepflicht und seine Berater müssen ihn darauf hinweisen!
4. Die Begriffe der Versorgungssicherheit und Netzstabilität, u.a. im Hinblick auf erhöhte Leistungsanforderungen, fallen nicht ein einziges Mal in der Studie. Nirgendwo wird erläutert, dass die Autoren sich umfassend mit den raum-zeitlichen Eigenschaften der witterungsbedingt stark schwankenden Solar- und Windeinspeisung beschäftigen. Dabei kommt es gerade bei Energiesystemen, die sich vorwiegend auf wetterabhängige Umgebungsenergien wie Solar- und Windenergie stützen, zum Erhalt der Versorgungssicherheit darauf empfindlich an, die Ränder der Häufigkeitsverteilung genauer zu kennen (vgl. Abschn. II.5).
5. Es fehlen auch grob fahrlässig eine ganzheitliche Risikobewertung und die Abschätzung von nicht beabsichtigten Nebeneffekten, beispielsweise durch globale Ausweichbewegungen (Produktionsverlagerungen, Firmenabwanderungen), Versorgungsengpässe, Black-Out-Ereignisse u.a., nach den DIN-Regeln 69901 zu einem probaten Projektmanagement oder nach DIN 31000 zum Risikomanagement. Belastbare physikalische Optionen und Perspektiven sind nicht erkennbar (vgl. Abschn. II.6).
6. Die Studie setzt umfangreiche Verhaltensänderungen der Bevölkerung in Bezug auf Fleischkonsum und Mobilitätsverhalten voraus. Die Verknüpfung von Verhaltensänderungen in großem Umfang mit Bedarfsprognosen und Emissionen ist riskant, weil damit künftige Generationen in ihrem Verhalten eingeschränkt werden (vgl. Abschn. II.3).
7. Die aktuelle Corona-Krise zeigt die Bedeutung eines belastbaren Erwartungsmanagements und die Missachtung von europäischen Verträgen. Was bei Corona die geschlossenen Grenzen trotz Schengen-Abkommens war, könnte in der Energiewirtschaft das Aussetzen von grenzüberschreitenden Stromlieferungen in europäisch gleichzeitig stattfindenden Mangellagen sein. Auch in dieser Hinsicht fehlen probate Planungsgrundlagen und eine Risikoabschätzung, so dass Fehleinschätzungen und Enttäuschungen vorprogrammiert und angelegt erscheinen.
8. Für das Gelingen der Transformation notwendige Fragestellungen, die über eine oberflächliche ingenieurmäßige Betrachtung hinausgehen, fehlen. Das sind beispielsweise: Wie muss der Ordnungsrahmen, wie muss das Marktdesign im Sinne des neuen Systems entwickelt werden? Wie lassen sich die Ziele unter den Bedingungen der deutschen Planungs- und Genehmigungspraxis zeitlich erreichen? Ist die Transformation im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung umsetzbar oder sind dafür Grundrechtseingriffe nötig bzw. ein Sozialpunktesystem nach chinesischem Vorbild?„
1.3 Zusammenfassend wird empfohlen …
- eine besondere Vorsicht bei der Verwendung der dort genannten qualitativen und quantitativen Prognosen und Aussagen walten zu lassen.
- Die Inhalte der Studie sind u.E. nicht für ein probates und belastbares Erwartungsmanagement sowie zur Unterscheidung zwischen Wunsch und Wirklichkeit geeignet.
- Es fehlt eine ganzheitliche Risikobewertung im Sinne der Qualitätsstandards zum Projekt- und Energiemanagement nach gängigen Standards und Regeln der Technik.
- Insofern ergeben sich für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik besondere Risiken durch potentielle und strukturelle Fehlentscheidungen.
Wissenschaftler, Medien und Politiker müssen besser zu unterscheiden lernen zwischen allgemeinen Veröffentlichungen und begutachteter Fachliteratur. Gerade Medienvertreter müssen lernen, dass nur letztere durch einen Prozess gegangen ist, in dem die obigen Qualitätsmerkmale guter Energiewendestudien überprüft wurden. Demgegenüber werden Veröffentlichung in hauseigenen Medien gerne von den PR-Abteilungen der Studien publizierenden Wissenschaftsinstitutionen beworben. Leider ist auch festzustellen, dass eine von Wissenschaftlern verfasste Studie nicht notwendigerweise Wissenschaft bzw. wissenschaftlichen Kriterien genügt – sie kann auch Meinungen über wissenschaftliche Themen transportieren, ohne wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Dies zu unterscheiden ist Aufgabe sowohl von Wissenschaftlern als auch von Journalisten und Politikern.
Prof. Dr.-Ing. Holger Watter