Gefährliche Keime in Bächen, Flüssen und Seen

Gefährliche Keime in Bächen, Flüssen und Seen: Patentrezept gibt es nicht!
Wasserwirtschaftler äußern sich zur NDR-Sendung „Panorama – die Reporter“
Hennef,
7. Februar 2018. Kläranlagen dienen dem Schutz von Mensch und Umwelt
vor Krankheiten, die sonst durch Abwässer verursacht würden.
Antibiotikaresistenten Keime werden bislang nicht gezielt entfernt.
Kläranlagen sind jedoch bei weitem nicht der einzige Pfad, über den
antibiotikaresistente Keime in Gewässer eingetragen werden. Wichtig sind
für die hier betrachteten Fälle der Abfluss von landwirtschaftlich
genutzten Flächen und Punktquellen wie zum Beispiel Krankenhäuser.
„Infrage zu stellen ist besonders der übermäßige, vorbeugende Einsatz
von Antibiotika, teilweise auch von Reserveantibiotika, in der
Intensivtierhaltung“ stellt Otto Schaaf, Präsident der Deutschen
Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), in
der auch die deutschen Abwasserentsorger organisiert sind, fest. Schaaf
fordert eine differenziertere Betrachtung als in dem Beitrag
„Gefährliche Keime in Bächen, Flüssen und Seen“, den der Norddeutsche
Rundfunk (NDR) produziert und am 6. Februar 2018 in seinem Politmagazin
„Panorama – die Reporter“ gesendet hat, zum Ausdruck kam. „Ein
Patentrezept gibt es nicht. Eine Verbreitung resistenter Keime kann aber
am besten an der Quelle erreicht werden, das heißt beispielsweise bei
Krankenhäusern und in der Intensivtierhaltung“ so Otto Schaaf.
Der
NDR weist zu Recht auf mögliche Gefahren durch Mikroorganismen hin, die
gegen Antibiotika resistent sind. Als Lösung verlangt Panorama unter
Berufung auf das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt die
Nachrüstung zumindest aller größeren Kläranlagen. Denn Kläranlagen in
Deutschland sind nicht dafür ausgelegt, multiresistente Erreger aus dem
Abwasser zu entfernen.
Alleinige Nachrüstung von Kläranlagen ist keine Lösung
Die
DWA hält diese Forderung – bei aller Sorge um antibiotikaresistente
Krankheitserreger – für kritisch, weil nicht tauglich, das Problem zu
lösen. Kläranlagen sind nicht die Quelle antibiotikaresistenter
Bakterien, sondern stehen am Ende einer Kette aus vielen Entwicklungs-
und Verbreitungspfaden. Nach Überzeugung der Wasserexperten muss zur
Lösung näher an den Ursachen angesetzt werden: dem Einsatz von
Antibiotika. Antibiotika werden in der Human- und der Tiermedizin sowie
in der Agrarindustrie verwendet.
Antibiotika überlegt einsetzen
Bei
Infektionen von Menschen sollen Antibiotika überlegt eingesetzt werden.
Hier sind Ärzte wie Patienten gleichermaßen gefragt. Antibiotika müssen
nach Verordnung des Arztes eingenommen werden und dürfen nicht
vorzeitig eigenmächtig vom Patienten abgesetzt werden. Nicht mehr
benötigte Restmedikamente gehören in die Restmülltonne und keinesfalls
in die Toilette oder das Waschbecken.
Auf massenhaften Antibiotika-Einsatz in der Landwirtschaft verzichten
In
der Landwirtschaft, insbesondere der Intensivtierhaltung, aber auch
Aquakulturen, soll auf den massenhaften, oft vorbeugenden Einsatz von
Antibiotika verzichtet werden. Insbesondere der Einsatz von
Reserveantibiotika, die als „eiserne Reserve“ bei schweren Erkrankungen
dienen sollen, ist einzuschränken. „Die übermäßige Verwendung von
Antibiotika in Anlagen zur Massentierhaltung ist eine wesentliche
Ursache für die Ausbildung von Resistenzen gegen Antibiotika. Im
Interesse auch ihrer eigenen Gesundheit sollte die Agrarindustrie hier
Zurückhaltung üben. Wenn antibiotikaresistente Bakterien erst im
Wasserkreislauf angekommen sind, ist es zu spät. Die Schuld hieran kann
allerdings nicht den Kläranlagen zugewiesen werden“, sagt Otto Schaaf.
Angesichts der vielfältigen Wege von Antibiotika und Mikroorganismen aus
den Großställen in die Umwelt wäre eine Nachrüstung von Kläranlagen,
etwa mit Anlagen zur UV-Bestrahlung, bei weitem nicht ausreichend, um
das Problem zu lösen. Schaaf: „Statt nachgeschalteter Maßnahmen, end of
the pipe, muss schon bei der Verwendung angesetzt werden. Positiv wäre
es auch, wenn es gelänge, Pharmawirkstoffe zu entwickeln, die sich nach
der Passage durch den Organismus in der Umwelt durch natürliche Prozesse
selber abbauen. Dies ist keine Zukunftsmusik. Vielversprechende Ansätze
gibt es beispielsweise am Institut für Nachhaltige Chemie und
Umweltchemie der Universität Lüneburg unter Leitung von Professor Klaus
Kümmerer.“
Weitere Forschung ist notwendig
Im
Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
geförderten Projekts „Charakterisierung, Kommunikation und Minimierung
von Risiken durch neue Schadstoffe und Krankheitserreger im
Wasserkreislauf – TransRisk“ wurde die Resistenzbildung erforscht und
unter anderem festgestellt, dass jeder etwas zur Vermeidung beitragen
kann (www.transrisk-projekt.de).
Die DWA hält weitere Forschung sowohl im Bereich der Entwicklung
umweltverträglicher Antibiotika als auch im Bereich der
Verfahrenstechnik zur Elimination dieser Stoffe für dringend
erforderlich.