Experten-Erklärung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie

Berlin,
August 2017 – Frauen mit Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen,
Schlafstörungen, Depressionen oder Harnwegsinfekten sollten viel
häufiger eine effektive, maßgeschneiderte Hormontherapie erhalten.
Experten räumen nach 15 Jahren ein, dass eine Hormontherapie das
Brustkrebsrisiko nicht generell erhöht. Lebensalter, Dauer und Dosierung
der Hormontherapie, körperliche Aktivität, Gewicht und genetische
Faktoren spielen eine wichtigere Rolle. Studienerkenntnisse, die das
nahelegten, sind neu interpretiert worden. Lange hatten Frauen deshalb
Angst vor einer Hormontherapie. Ärzte verordneten stattdessen
Antidepressiva, Schlafmittel oder „alternative Substanzen“, deren
Wirksamkeit nicht durch Studien gesichert ist. Dies erklären Experten
der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologen (DGE) im Vorfeld der
Pressekonferenz am Mittwoch, den 13. September anlässlich des
2. Deutschen Hormontages in Berlin.

Die Wechseljahre, auch Klimakterium genannt, sind
nach der Pubertät die zweite hormonbewegte Phase im Leben einer Frau.
„Häufig berichten Frauen von Hitzewallungen, Schweißausbrüchen und
Schlafstörungen. Noch viel gravierender sind jedoch Depressionen,
wiederkehrende Harnwegsinfekte, Muskel- und Gelenkschmerzen und eine
insgesamt nachlassende Leistungsfähigkeit“, erklärt Dr. med. Cornelia
Jaursch-Hancke, leitende Ärztin des Fachbereichs
Endokrinologie/Diabetologie an der DKD HELIOS Klinik Wiesbaden. Diese
Symptome ließen sich oft sehr gut mit einer Hormontherapie behandeln, so
die Expertin. Bei Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen würden
häufig Psychopharmaka verschrieben. „Anstatt die Ursache, also den
Östrogenmangel, auszugleichen, bleibt die Behandlung auf der
Symptomebene“, so Jaursch-Hancke.

Bei
vielen Frauen gibt es Ängste bezüglich der Hormontherapie.
Zurückzuführen sind diese auf Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2002
der Women’s Health Initiative (WHI). Untersucht wurde damals, welche
gesundheitlichen Auswirkungen eine Hormontherapie auf die Gesundheit der
Frauen habe. Es nahmen insgesamt 16000 Frauen teil. Eine Hälfte erhielt
eine Hormontherapie, die andere nicht. Nach fünf Jahren wurde die
Studie abgebrochen wegen einer erhöhten Rate an Brustkrebs, Thrombosen,
Schlaganfall und Herzinfarkten in der Studiengruppe, die Hormone
erhalten hatte. „Nicht bedacht wurde bei der Interpretation der Daten,
dass das Durchschnittsalter der Frauen in dieser Studie mit 63 Jahren
sehr viel höher lag, als bei Frauen im üblichen menopausalen Alter, also
um die 50. Zudem waren die Teilnehmerinnen im Durchschnitt fettleibig
und hatten Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes,
Fettstoffwechselstörungen und erhöhten Blutdruck: Sie waren nicht
gesund“, betont Jaursch-Hancke. Die bereits früh geäußerte Kritik am
Studiendesign und den Ergebnissen ging allerdings unter. Medienberichte
griffen die Daten auf und verbreiteten die Botschaft: Hormontherapie in
den Wechseljahren sei gefährlich.

Die
Verordnung von Hormonen ging nach Publikation der Studie um 80 Prozent
zurück. „Dafür schnellte der Verbrauch von Antidepressiva, Schlafmitteln
sowie einer Fülle nicht zugelassener alternativer Substanzen in die
Höhe. Millionen von Frauen wurden eine sinnvolle und höchst effektive
Behandlung von menopausalen Beschwerden vorenthalten“, bedauert
Jaursch-Hancke.

Neuere
Studiendaten aus Dänemark und eine Re-Evaluation der jüngeren Frauen
der WHI-Studie im Alter von 50 bis 60 Jahren zeigten nun, dass eine
frühe Hormontherapie in der Menopause die Symptome nicht nur effektiv
behandelt, sondern sich sogar günstig auf das Herz-Kreislauf-System und
die Todesrate auswirkt. Daneben scheint eine alleinige Östrogentherapie,
die in der Regel aber nur Frauen erhalten, die keine Gebärmutter mehr
haben, das Brustkrebsrisiko zu senken.

Bei Wechseljahresbeschwerden können manche Frauen auch von alternativen Methoden wie

Qigong,
Yoga oder Tai-Chi profitieren. Wenn der Leidensdruck jedoch hoch ist
und die Lebensqualität in Mitleidenschaft gerät, sollten Frauen mit
ihrem behandelnden Arzt über eine Hormontherapie sprechen, empfiehlt Jaursch-Hancke.

„Grundsätzlich hat eine
Hormontherapie in der Menopause auch gut belegte positive Effekte auf
den Knochen. Ob eine Frau aber von einer im 6. Lebensjahrzehnt
durchgeführten Hormontherapie hinsichtlich der Erkrankung Osteoporose
profitiert, die meist erst im Alter über 70 Bedeutung beginnt, ist nicht
belegt und eher fraglich. Deshalb sollte man trotz all dieser gut
belegten neuen Daten diese Therapie nicht wieder generell jeder Frau
anbieten und beachten, dass viele Frauen auch ohne eine Hormontherapie
gut und zufrieden diese Lebensphase erleben dürfen. Ca. 20 – 30 Prozent
der Frauen haben aber tatsächlich stark den Tagesablauf
beeinträchtigende Beschwerden. Diesen Frauen können wir jetzt wieder mit
gutem Gewissen mit einer Hormontherapie helfen“, ergänzt Professor Dr.
med. Sven Diederich, Ärztlicher Leiter Medicover Deutschland und
Vizepräsident der DGE aus Berlin. Risiken der Hormontherapie sollten
nicht ignoriert werden, so gebe es beispielsweise ein gering erhöhtes
Thromboserisiko unter der Hormontherapie, die sich durch eine geeignete
Applikationsform zum Beispiel über die Haut minimieren lasse. Wichtig
sei es, mit dem Arzt über die Dauer der Therapie zu sprechen. „Fünf
Jahre Hormontherapie ist mit Blick auf mögliche Risiken die richtige
Zeitspanne. Wichtig ist auch, dass man diese Therapie dann ausschleicht
und die Patientin begleitet. Sonst sind die unangenehmen Beschwerden
gleich wieder da, was dann zu einer dauerhaften Fortführung motivieren
kann, was wir aber aufgrund der negativeren Datenlage bei längerer
Therapie und über 60-jährigen Frauen vermeiden sollten “, erklärt
Diederich. Das Risiko für Brustkrebs habe neben einer erblichen
Veranlagung sehr viel mit Übergewicht und Bewegungsmangel zu tun. Darauf
sollten Frauen achten und zudem die regelmäßigen
Brustkrebsfrüherkennungs-Untersuchungen wahrnehmen.