Erkrankungen der Verdauungsorgane sind die vergessenen Volkskrankheiten
Berlin
– Die nicht-malignen Krankheiten der Verdauungsorgane sind nach den
Herz-Kreislaufstörungen die häufigsten Krankheiten der Deutschen.
Jährlich werden rund zwei Millionen Menschen, die an einer Erkrankung
des Verdauungssystems leiden, im Krankenhaus behandelt. Als
Volkskrankheiten werden die gastroenterologischen Erkrankungen dennoch
nicht wahrgenommen – und rangieren in Gesundheitspolitik und
Wissenschaftsförderung entsprechend weit hinten. Zu diesem Schluss kommt
die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in ihrem neuen „Weißbuch
Gastroenterologische Erkrankungen 2017“. Mit dem erstmalig aufgelegten
Weißbuch will die DGVS eine validierte Zahlengrundlage schaffen, auf
deren Basis Diskussionen über die Gegenwart und Zukunft der
gastroenterologischen Erkrankungen in Deutschland geführt werden können.
Kein
anderes Fachgebiet behandelt ein so breites Spektrum von Erkrankungen
wie die Gastroenterologie: Sie befasst sich mit allen malignen und
nicht-malignen Krankheiten an Magen, Darm, Leber, Galle und
Bauchspeicheldrüse. „Die Vielfalt der Krankheiten und
Behandlungsmethoden machen unser Fachgebiet einerseits attraktiv für den
Nachwuchs und die Forschung“, sagt Professor Dr. med. Frank Lammert,
Präsident der DGVS. „Auf der anderen Seite gerät gerade auch aufgrund
des breiten Spektrums seitens der Öffentlichkeit, der Gesundheitspolitik
und der Wissenschaftsförderung leicht aus dem Blick, welche Relevanz
die gastroenterologischen Erkrankungen insgesamt haben.“
Sechs
Millionen Deutsche unterziehen sich jedes Jahr einer Endoskopie, etwa
im Rahmen der Darmkrebsvorsorge. Außerdem werden jährlich rund zwei
Millionen Menschen mit Krankheiten der Verdauungsorgane im Krankenhaus
behandelt. Ihre Behandlung erfordert mehr als elf Millionen
Belegungstage, nahezu
doppelt so viele wie bei den Erkrankungen der Lunge oder der
psychischen Leiden, zweieinhalb Mal so viele wie bei den neurologischen
Krankheiten und dreimal so viele wie bei den Infektionskrankheiten. Mehr
als 37 000 Menschen sterben jedes Jahr an Krankheiten der
Verdauungsorgane – auch hier deutlich mehr als an Infektionskrankheiten,
Diabetes, psychischen Störungen, Demenz oder den muskuloskelettalen und
neurologischen Erkrankungen. Die direkten Kosten der Behandlung von
Krankheiten der Verdauungsorgane belaufen sich auf 34,8 Milliarden Euro.
„Dennoch
rangiert die Versorgung dieser Patienten in der Priorisierung der
Gesundheitspolitik und Wissenschaftsförderung unerklärlicherweise immer
noch auf einem relativ niedrigen Niveau“, so Professor Lammert. „Bis
heute ist beispielsweise eine Förderung durch koordinierte Projekte der
Wissenschaftsförderung des Bundes, wie etwa die Deutschen Zentren der
Gesundheitsforschung oder die Integrierten Forschungs- und
Behandlungszentren, ausgeblieben – und dass trotz der Relevanz der
Erkrankungen im Hinblick auf Mortalität, Morbidität sowie Kosten und
trotz des international sehr hohen Ansehens der deutschen
gastroenterolgischen Forschung. Hier braucht es dringend ein Umdenken!“
Das
vom Center for Health Economics Research in Hannover (CHERH) unabhängig
erstellte Weißbuch der DGVS soll eine validierte Zahlengrundlage
schaffen, auf deren Basis Diskussionen über die Gegenwart und Zukunft
der Versorgung der Volkskrankheiten der Verdauungsorgane in Deutschland
geführt werden können. Die Kapitel des Weißbuchs stellen die
medizinischen Aspekte, aktuellen epidemiologischen Parameter und Kosten
der wichtigsten gastroenterologischen Erkrankungen dar. Jedes Kapitel enthält zudem eine Liste „offener Fragen“, die den
aktuellen Bedarf an wissenschaftlichen Studien, medizinischen
Innovationen und gesundheitsökonomischen Verbesserungen darlegt.
Abschließend wird auf die Perspektiven der gastroenterologischen Weiterbildung und den gastroenterologischen Forschungsbedarf eingegangen.
Das Weißbuch Gastroenterolgische Erkrankungen 2017 der DGVS wurde im Rahmen der Jahrespressekonferenz der DGVS am 30. Mai
in Berlin vorgestellt. Das Buch ist als kostenfreier pdf-Download
abrufbar unter: https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2017/05/Weissbuch-Gastroenterologie_web.pdf.
Die
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche
Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute
vereint sie mehr als 5000 Ärzte und Wissenschaftler aus der
Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich
wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und
Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und
Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen
der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.