Energiewende- Quantität und Qualität

Sehr geehrter Herr Gerber,
danke für diese Einschätzung.
Ich möchte als ehemaliger Wissenschafts–Redakteur des WDR, der dort die
Naturwissenschafts-Redaktion gegründet hat, noch folgenden
Hinweis geben:
Was mir in der Kommunikation über Energie und
Energiewende extrem zu kurz kommt, sind die Darstellungen der Zusammenhänge
sowie die Folgen und die Risiken in der Zukunft. Auch unsere Kollegen sind sich
nicht immer im Klaren, wenn sie irgendeinen Teilaspekt herausheben, was das
technisch aber auch kommunikativ für Folgen mit sich bringt. So wurden den
Bürgern die Gefahren z. B. der Kern-Energie zwar richtig dargestellt, aber die
Risikobewertung des plötzlichen Abschaltens bisheriger und künftiger Meiler
heruntergespielt. Vermittelt wurde nicht, dass der deutsche Alleingang die
Sicherheit der europäischen Kernenergie-Scene keineswegs verbessert, sondern
eher vergößert hat, denn die deutsche Sicherheits-Technologie war führend in der
Welt und sie wurde meines Erachtens vor allen Dingen durch Siemens gestrichen.
Diskutiert wird selten die Tatsache, dass die Kosten der Energiewende vor allen
Dingen der Bürger zu tragen hat, die vom Export abhängigen energieaufwendigen
Industriebereiche nicht mehr konkurieren können und auf lange Sicht auswandern.
Noch problematischer halte ich das Unwissen darüber, dass die
Starkstrom-Verbund-Netze auf lange Sicht extrem störanfällig werden, denn zu
erwarten sind plötzliche Zusammenbrüche großer Netzbereiche. Leider verhalten
sich diese Netze nicht linear, sondern entweder oder, ohne besondere
Vorankündigungen. Was ich aber für noch schlimmer halte ist, dass die Kosten des
Abbaus der Kernenergie-Zentralen zwei- bis dreimal teurer wird als ihr Bau, wer
soll das bezahlen? Natürlich der Bürger als Steuerzahler.
 Zu diesen Themen gibt es natürlich noch viel anderes zu sagen,
aber leider wird das alles dem Medienkunde, d. h. dem Leser, dem Hörer, dem
Zuschauer, vorenthalten. Meine damals im Zusammenhang mit Journalistenausbildung
geäußerte Bemerkung, dass ein Journalist auch didaktisches Vermögen haben muß,
wird leider fast nirgendwo beherzigt.
Mit freundlichen Grüßen
Jean
Pütz

Alex Gerber, Webmail"  schrieb:
> Viel hilft nicht immer viel: Obwohl die Energiewende häufig Thema in den
> Medien ist, lässt die Qualität der Beiträge oft zu wünschen übrig.
>
> Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die Studie "Kommunikation zur
> Energiewende" des Instituts für Sozialwissenschaften der
> Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, in Kooperation mit der Fachgruppe
> Energie des Bundesverbands Deutscher Pressesprecher und der Kölner
> Agentur K1. Mehr als die Hälfte der befragten Kommunikationsexperten aus
> der Energiebranche bewerten Relevanz der Beiträge, Glaubwürdigkeit,
> Vielfältigkeit und Darstellung komplexer Sachverhalte als gering. Dies
> schlage sich in der Wahrnehmung der Bürger nieder: Die Kommunikation zur
> Energiewende erscheine vielen als kompliziert, demotivierend, abstrakt
> und unverständlich. In einem Punkt sind sich die Befragten nahezu einig:
> Kommunikation ist für eine breite Akzeptanz der Energiewende unabdingbar.

"Mein Minister und ich"
> Kommunikationsexperten diskutieren Studienergebnisse in Berlin
>
> Das Quadriga-Forum in Berlin war Schauplatz der exklusiven
> Veröffentlichung von Ergebnissen aus der von der Kölner Agentur K1
> iniierten Studie "Kommunikation zur Energiewende".
>
> Gut 50 Besucher und ein exzellent besetztes Podium bildeten den Rahmen
> der Veranstaltung. Eingeladen hatte die Fachgruppe Energie des
> Bundesverbands deutscher Pressesprecher e. V. (BdP) – der BdP hatte die
> Studie auch unterstützt.
>
> Am Ende war sich der Beobachter nicht sicher, worüber er sich mehr
> wundern sollte: über die Ergebnisse der Studie, nach der die Deutschen
> die Kommunikation zur Energiewende – in den Augen der
> Kommunikationsfachleute – als kompliziert, unverständlich, abstrakt und
> demotivierend wahrnehmen. Oder über die Experten selbst, die sich von
> den teilweise schockierenden Ergebnissen kaum überrascht zeigten: Die
> Energiewende sei eben komplex und kompliziert, und daran scheitere die
> Kommunikation derzeit ziemlich oft, so das Credo.
>
> So bekannte beispielsweise Dr. Dominik Geißler, Sprecher von
> Bundesumweltminister Peter Altmaier, wie sehr er und sein Team
> tagtäglich mit der Komplexität der Materie kämpften. "Mein Minister und
> ich – wir haben eine fast unlösbare Aufgabe." – "Kein Wunder", befand
> Rainer Knauber, Leiter Konzernkommunikation der Berliner Gaswerke AG.
> "Was wir hier alle machen, ist Energiewende 1.0. Dafür gibt es keine
> Vorlage." In der Komplexitätsfalle wähnten sich mehr oder minder alle
> Podiumsteilnehmer, mit Ausnahme von Gergely Kispál, Referent für Presse-
> und Öffentlichkeitsarbeit beim BUND Baden-Württemberg. Sein Rat: "Die
> Komplexität des Themas müssen wir uns reinziehen."
>
> Die Vielschichtigkeit besonders gut vermitteln kann offenbar die
> Präsidentin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.
> (BDEW). Hildegard Müller erzielte in der Befragung die besten
> Professionalitätswerte. Ihr Sprecher Mathias Bucksteeg weiß, warum:
> "Frau Müller gibt häufiger mal den ‚Erklärbär‘, das schätzen die Leute
> offenbar mehr als die andauerende Statement-Kommunikation." Vielleicht
> helfe es auch, einfach mal weniger zu kommunizieren, schlug Moderator
> Benedikt Reuter von Wiwo Green vor. Altmaier-Sprecher Dominik Geißler
> erteilte dem eine klare Absage: "Wir müssen jetzt kommunizieren, nicht
> erst dann, wenn die Strompreise erhöht werden."
>
> Mit welchen Mitteln kommuniziert werde, hatte die Studie auch gefragt
> und als Ergebnis den "Dauerbrenner" Pressearbeit vorn gesehen.
> Zustimmung bei den meisten Beteiligten, wenn auch Ministersprecher
> Geißler die Twitter-Wut seines Chefs verteidigte: "Über Social Media
> erreichern wir die Bürger direkt und ohne Filter der Medien."
>
> "Vielleicht bildet die Befragung der Kommunikatoren ja tatsächlich die
> Einstellung der Bevölkerung zur Energiewende insgesamt ab", vermutete
> Björn Peter Emde, bis zur Insolvenz als PR Manager bei Suntech Power
> International Ltd., zu Beginn der Diskussion. An deren Ende hatte
> Christian Bügel, Partner der Agentur K1, einen guten Ratschlag für die
> Beteiligten: "Seien Sie in Zukunft einfach etwas weniger kritisch mit
> sich selbst."
>
> Intensität hui – Qualität pfui
> Wissenschaftliche Umfrage untersucht Kommunikation zur Energiewende
>
> Köln/Düsseldorf. Die Kommunikation zur Energiewende empfinden die
> Deutschen als eher kompliziert, demotivierend, abstrakt, unverständlich
> und ineffizient — das glauben zumindest
> die Kommunikationsexperten aus der Energiebranche. Besorgniserregend:
> Nahezu jeder zweite Verantwortliche ist der Meinung, dass die
> Kommunikation von vielen Bürgern als eher nachteilig für das
> Gesamtprojekt Energiewende wahrgenommen wird.
>
> 150 PR-Profis nahmen teil
> Das Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität
> Düsseldorf befragte Ende Januar — in Kooperation mit der Fachgruppe
> Energie des Bundesverbands Deutscher Pressesprecher und der Kölner
> Agentur K1 — rund 500 Kommunikationsexperten über die strategische
> Kommunikation zur Energiewende. An der anonymisierten Online-Befragung
> unter Leitung von Prof. Ulrich Rosar nahmen rund 150 PR-Profis aus
> Unternehmen, Institutionen, Stadtwerken, NGOs und Verbänden teil.
>
> Intensive Kommunikation — schlechte Qualität
>
> Die Intensität der Kommunikation zur Energiewende stufen über 70 Prozent
> der befragten Profis als hoch oder sehr hoch ein. Allerdings, so ihre
> Einschätzung, lasse die Qualität noch zu wünschen übrig: Fast 60 Prozent
> bewerten die Qualität als gering bis sehr gering — gefragt war an
> dieser Stelle nach der Relevanz der Beiträge, der Glaubwürdigkeit der
> Beteiligten, der Einbringung unterschiedlicher Standpunkte oder der
> verständlichen Darstellung komplexer Zusammenhänge. Immerhin: 90 Prozent
> der Befragten glauben, Kommunikation könne mithelfen, dass die
> Energiewende von allen gesellschaftlichen Schichten getragen werde.
>
> Keine Vorreiterrolle für NGO’s
>
> Auf die Frage, wer in der Kommunikation mit der Bevölkerung zukünftig
> die Vorreiterrolle übernehmen solle, nennen die PR-Profis Politik,
> Wirtschaft und regionale Versorger. In der aktuellen öffentlichen
> Diskussion werden aber auch Umwelt- und Naturschutz- sowie
> Verbraucherschutzorganisationen wahrgenommen. Nach dem Bundesministerium
> für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und den Energiekonzernen
> werden sie als nächste genannt.
>
> Pressearbeit ist das wichtigste Instrument
>
> Befragt nach zusätzlichem Personal und Budgets zeigen sich die
> Kommunikationsmanager wenig optimistisch: Gut die Hälfte der Befragten
> weiß jetzt schon, dass kein zusätzliches Budget bereitsteht, zwei
> Drittel bestätigen, dass kein zusätzliches Personal zum Einsatz kommt.
> Klarheit auch bei der Frage, welche Instrumente die Experten bei der
> Kommunikation zur Energiewende für wichtig erachten. Hier rangiert
> Pressearbeit mit weitem Abstand vor Personaler Kommunikation und Public
> Affairs. Als weniger wichtig für das eigene Unternehmen werden Social
> Media und TV/Radio eingestuft — für den gesamten Prozess der
> Energiewende wird Fernsehen und Radio hingegen eine hohe Bedeutung
> beigemessen.
>
> Politiker kommunizieren nicht professionell
>
> Bei den handelnden Personen ergibt sich eine durchgängige Diskrepanz
> zwischen der Wahrnehmung in der öffentlichen Diskussion und der
> Professionalität der Beiträge. So werden die Politiker Altmaier, Rösler,
> Merkel, Oettinger und Trittin zwar am meisten wahrgenommen,
> professionelles Auftreten attestiert man aber allenfalls dem
> Fraktionschef der Grünen Jürgen Trittin und dem Bundesumweltminister
> Peter Altmaier. Bei den Verbänden ragt besonders Hildegard Müller
> heraus. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und
> Wasserwirtschaft (BDEW) erhält in der Bewertung der Professionalität den
> höchsten Wert aller abgefragten Persönlichkeiten.
>
> Die Kölner PR-Agentur hat die Studie "Kommunikation zur Energiewende"
> initiiert und in Zusammenarbeit mit dem Institut für
> Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der
> Fachgruppe Energie des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher e. V.
> Anfang 2013 durchgeführt. Die Ergebnisse wurden am 26. März im
> Quadriga-Forum präsentiert. Kommunikationsexperten aus der
> Energiebranche diskutierten die Ergebnisse anschließend auf dem Podium.
> Sowohl eine Management Summary mit den wichtigsten Ergebnissen als auch
> die vollständigen Untersuchungsergebnisse können hier bestellt werden.
>
> "Aktuell trägt Kommunikation nicht zur Akzeptanz der Energiewende bei"
> Statement von Gunter Ortlieb, Agentur K1
>
> Die Ergebnisse unserer Umfrage zur "Kommunikation zur Energiewende" sind
> da — und auf den ersten Blick überraschen sie. Fehlende Qualität,
> schlecht informierte Bürger, wenig professionelle Hauptdarsteller. Man
> kann, man muss zu dem Ergebnis kommen: Aktuell trägt die Kommunikation
> nicht zur Akzeptanz der Energiewende bei.
>
> Bei näherem Betrachten verwundern die Ergebnisse nicht. Zu komplex ist
> das Thema Energiewende, zu kompliziert und vor allem: Es ist nicht
> kohärent, nichts hängt mit dem anderen zusammen. Wenn hier über
> Pumpspeicherkraftwerke, dort über Netzstudien, da über
> Hochspannungsgleichstromübertragung und nebenan über Smart Meter
> gesprochen wird, dann käme man nicht auf die Idee, dass über jedem
> dieser Teilthemen das Jahrhundertprojekt Energiewende als Junktim steht.
>
> Unter Kommunikationsaspekten bringt diese Konstellation zweierlei
> Konsequenzen mit sich:
>
> 1. Es fällt derzeit nicht schwer, alle paar Tage eine neue (Themen-)Sau
> durchs Dorf zu treiben. Dementsprechend oft wird das Gatter geöffnet…
>
> 2. Statements werden mehr als genug mit der Zielsetzung ausgearbeitet,
> dass sie möglichst lange unwidersprochen bleiben.
>
> So weit, so schlecht. Denn bei einem so komplizierten Thema wie der
> Energiewende wäre es angebracht, weniger oft den Weg über die
> Öffentlichkeit zu suchen und sich stattdessen untereinander
> auszutauschen. Hilfreich könnte es auch sein, wenn man das
> Agenda-Setting weniger oft politisch motiviert betriebe, was nämlich zur
> Folge hat, dass klassisch Statement-orientiert kommuniziert wird.
> Stattdessen dürfen die Kommunikatoren häufiger mal den Erkläronkel geben
> und Themen behandeln, die kommunizierbar, sprich erklärbar sind.
>
> Und wie macht man das? Durch Pressearbeit, so eines der Ergebnisse
> unserer Untersuchung. Aber vielleicht versucht man es auch mal mit
> guter, alter PR! Konzeptionell, im Dialog, um Vertrauen bemüht, mehr auf
> Qualität als auf Quantität setzend und das Positive betonend.
> Kommunikations-Profis der deutschen Energiebranche: Macht das so!
> Spätestens im nächsten Frühjahr fragen wir wieder nach.
>