Durchbruch in der Tuberkuloseforschung

Durchbruch in der Tuberkuloseforschung: Erbgut des Erregers als
Schlüssel für optimale Behandlung
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungszentrums Borstel,
des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, des Oxford Biomedical Research
Centre und des South African National Institute for Communicable Diseases haben
eine neue genetische Methode entwickelt, mit der sie nicht nur voraussagen
können, gegen welche Antibiotika Resistenzen bestehen, sondern auch welche
Präparate gegen den jeweiligen Tuberkulose (Tb-)-Erreger wirksam sind. Die
Ergebnisse werden am 24. Juni in der Onlineausgabe der internationalen
Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht.
Der Nachweis von Tb-Erregern und die genaue Ermittlung von
Antibiotikaresistenzen erfolgt bisher in Kulturverfahren. Diese Methode benötigt
bis zu sechs Wochen, bis ein Ergebnis vorliegt. Wertvolle Zeit, die häufig eine
effektive Behandlung verzögert. Zudem sind die Kulturverfahren relativ
fehleranfällig. Sie müssen sehr präzise sein, um verlässliche und vergleichbare
Ergebnisse zu erhalten. Solche optimalen Laborbedingungen sind jedoch
insbesondere in Ländern mit hohen Tuberkuloseraten oft nicht vorhanden. Auch die
in den letzten 20 Jahren eingesetzten molekulardiagnostischen Schnelltests
können lediglich eine Aussage über eine begrenzte Anzahl von Mutationen und die
daraus resultierenden Resistenzen treffen.
„Wir wollten einen Schritt weitergehen und therapeutische Hinweise geben,
welche Kombination von Antibiotika sich zur Behandlung eines bestimmten Erregers
eignen“, fasst Professor Stefan Niemann, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare
Mykobakteriologie am Forschungszentrum Borstel und Mitglied des
Exzellenzclusters Entzündungsforschung, den Forschungsansatz zusammen. „Wir
bewegen uns dazu von 130 Jahren Tb-Kultivierung zu einer neuen, digitalen Ära in
der Mikrobiologie.“
Dazu untersuchte das Team mittels Gesamtgenomsequenzierung das Erbgut von
rund 3500 Tb-Stämmen. Die Forscherinnen und Forscher konzentrierten sich dabei
auf Veränderungen im Erbgut, die sie mit Antibiotikaresistenzen und
-Empfindlichkeit in Verbindung bringen können. „Wir haben eine Art Lexikon für
Mutationen im Erbgut der Tb-Erreger ermittelt“, erklärt Niemann. „Findet man
Veränderungen im genetischen Code eines Erregers, sind bestimmte Medikamente
nicht mehr wirksam und sollten daher nicht für die Therapie verwendet werden.
Das ist ein enormer Fortschritt, insbesondere für die Behandlung von
multiresistenten Erregern!“
Bis die Methode im praktischen Arbeitsalltag von Medizinerinnen und
Medizinern angewendet werden kann, dauert es aber noch etwas. Dennoch habe die
Methode großes Potential, glaubt Dr. Thomas Kohl, Zweitautor der Publikation:
„Auf längere Sicht ist die Genomanalyse erheblich einfacher durchzuführen und
kostengünstiger als konventionelle Verfahren. Vor allem im Hinblick auf die
EndTB-Strategie der WHO, die vorsieht, dass die Tuberkulose bis zum Jahr 2035
erfolgreich eliminiert werden soll, sind diese neuen diagnostischen Ansätze von
großer Bedeutung.“
Tuberkulose (Tb) ist die weltweit häufigste tödliche Infektionskrankheit.
Vermutlich ist etwa ein Drittel der Menschen weltweit mit dem Erreger infiziert.
Bei den meisten Betroffenen bricht die Tuberkulose aber nie aus. Pro Jahr
erkranken 9 Millionen Menschen an Tb – ca. 1,5 Millionen sterben an den Folgen
dieser Krankheit. Insbesondere die stark zunehmenden Antibiotikaresistenzen der
Erreger sind dabei ein immenses Problem. Diese verlängern die Behandlungsdauer
erheblich und verursachen hohe Kosten.
Originalarbeit:
Walker, TM, Kohl, TA, Omar, SV, Hedge,
J, Elias, CDO, Bradley, P, Iqbal, Z, Feuerriegel, S, Niehaus, KE, Wilson, DJ,
Clifton, DA, Kapatai, G, Ip, C, Bowden, R, Drobniewski, FA, Allix-Béguec, C,
Gaudin, C, Parkhill, J, Diel, R, Supply, P, Crook, DW, Smith, EG, Walker, AS,
Ismail, N, Niemann, S, Peto, TEA und Modernizing Medical Microbiology (MMM)
Informatics Group (2015): Whole-genome sequencing for prediction of
Mycobacterium