Die Grünen und das Problem Lützerath

Ein Bericht aus The Pioneer Briefing von Gabor Steingart

Es werden hässliche Bilder sein, die von Lützerath ausgehen. Schwer geschützte Einsatzpolizisten werden versuchen, Haus um Haus die vom Braunkohlebagger bedrohte Siedlung von Klimaaktivisten zurückzuerobern.

Die Polizisten werden dabei auch im Auftrag der Grünen Klimaaktivisten wegtragen müssen.

Lützerath wird weggebaggert werden. Das ist Teil des Deals mit dem Energiekonzern RWE, der im Gegenzug acht Jahre früher aus der Kohle aussteigen wird. Fünf Dörfer werden vor dem Abriss bewahrt. 500 Menschen bleibt die Zwangsumsiedlung erspart.

Ein Erfolg, der den Aktivisten wie eine Niederlage vorkommen muss. Lützerath ist und war das Symbol ihres Widerstands gegen die Braunkohleverstromung.

Die Aktivisten und ihre Anliegen sind Teil der DNA der Grünen. Was macht der Protest mit der Partei?

 

Das Verhandlungsergebnis sei gut und richtig, sagt Felix Banaszak, grüner Bundestagsabgeordneter und bis 2022 Landesvorsitzender der NRW-Grünen, unserem Kollegen Thorsten Denkler. Es sei aber auch kompliziert und schwer zu erklären:

 

Den Kohleausstieg um acht Jahre vorzuziehen, das ist abstrakt, das steht erstmal nur auf dem Papier. Aber der Kohlebagger an der Bruchkante, der ist real. Und eine Räumung ist eine Räumung.

 

Im Moment stimmen die Umfragen für die Grünen. Bei 22 Prozent stehen sie in NRW, im Bund bei 17 Prozent. Besser als die jeweiligen Wahlergebnisse.

Realpolitik, so scheint es, wird honoriert.

Hilft den Grünen eine Abgrenzung zu den Klimaaktivisten? Banaszak warnt, dass das zu einem „unkittbaren Bruch“ führen könnte. „Wir dürfen nicht glauben, dass wir allein mit Hyperrealismus weiterkommen.“

 

Es war Bärbel Höhn, die als erste grüne NRW-Umweltministerin in den 90er Jahren einer aufgebrachten Basis erklären musste, dass auch sie den Tagebau in Garzweiler nicht verhindern kann.

Heute sagt sie uns, der Protest damals habe ihr geholfen:

 

Ich werbe da sehr für gegenseitiges Verständnis. Wir sind abhängig voneinander. Ohne den außerparlamentarischen Druck sind Fortschritte in der Klimapolitik kaum denkbar. Ohne Umsetzung und Kompromisse in einer Regierung erreicht aber auch die Klimabewegung ihre Ziele nicht, die wir ja alle teilen.

 

Das Verhältnis zwischen Grünen und Klimaaktivisten „muss von Respekt und Anerkennung geprägt sein“, sagt Höhn.

Hubert Kleinert war Gründungsmitglied der Grünen und 1983 einer der ersten Bundestagsabgeordneten der damals jungen Partei. Er sagt:

 

Die Grünen von heute sind ein selbstverständlicher Bestandteil des etablierten parlamentarischen Systems. Die Bewegungserbschaften haben ihre Bedeutung verloren.

 

Zumal die Zeiten heute andere seien als sogar noch vor einem Jahr. „Putin diszipliniert das gesamte grüne Spektrum.“ Das sei die „paradoxe Konsequenz“ aus Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Für die Grünen in NRW aber bleiben die Proteste eine schwierige Gratwanderung.