Deutsche Wassertechnologien für indische Städte

Deutsche Wassertechnologien für indische Städte

Fraunhofer IGB Presseinformation / 11.10.2018

Verschmutzte Flüsse und Seen, fehlende
Abwasserkanäle und Kläranlagen – Indiens schnell wachsende Städte
kommen beim Ausbau der kommunalen Infrastruktur kaum nach. Am größten
ist der Bedarf an angepassten Lösungen für die kommunale
Abwasserreinigung und die Überwachung der Wasserqualität. Dies zeigen
erste Ergebnisse des Projekts »Smart Water Future India«, das vom
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
koordiniert wird. Als Basis für eine langfristige Zusammenarbeit soll
ein Water Innovation Hub dienen. Deutsche Firmen sind willkommen, sich
an dieser deutsch-indischen Plattform zu beteiligen.

»Smart Water Future India« heißt das vom
Bundesumweltministerium (BMU) geförderte Projekt, in dem intelligente
und nachhaltige Wassermanagementstrategien für die südindische Stadt
Coimbatore entwickelt werden. Damit es nicht bei Konzepten und
Strategien bleibt, sondern diese auch in die Praxis umgesetzt werden,
wird im Rahmen des Projekts ein sogenannter »Water Innovation Hub«
aufgebaut. In diesem Netzwerk arbeiten deutsche und indische Firmen eng
mit Nichtregierungsorganisationen und Stadtverwaltung zusammen, um auch
langfristig die dringend benötigten Lösungen für ein bedarfsgerechtes
Wassermanagement bereitzustellen. Das Angebot reicht dabei von der
Identifizierung von Maßnahmen über die Suche nach geeigneten
Finanzierungsmitteln und Industriepartnern bis zur Koordinierung von
Pilotprojekten und Demonstration von Prototypen.

 

Zugang zum indischen Markt durch Water Innovation Hub

»Deutsche Unternehmen aus der Wasserbranche zeigen großes Interesse
am dynamisch wachsenden indischen Markt, haben jedoch oft
Schwierigkeiten, ihre Produkte hier abzusetzen«, berichtet Philip Okito,
geschäftsführender Gesellschafter der trAIDe GmbH und im Projekt für
die Einbindung der Unternehmen zuständig. Angesichts der
Herausforderungen in ganz Indien kann der geplante Water Innovation Hub
deutschen Firmen das Tor zum indischen Markt der Wasser- und
Abwasserwirtschaft öffnen.

Ende November will das Team um Projektleiter Dr. Marius Mohr,
Wasserexperte am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und
Bioverfahrenstechnik IGB, mit indischen Partnern einen ersten Fahrplan
aufstellen, bevor im Februar 2019 der Strategieplan für das
Wassermanagement der Stadt und das finale Konzept für den Water
Innovation Hub vorgestellt werden. Interessierte deutsche Firmen sind
daher aufgerufen, bereits im Vorfeld Kontakt zum Projektteam
aufzunehmen.

Stadtanalyse und Stakeholder-Workshop identifizieren zwei Handlungsfelder

»In Coimbatore besteht – wie in vielen anderen indischen Städten –
dringender Handlungsbedarf, da sind sich alle Stakeholder vor Ort
einig«, berichtet Mohr vom Dialog mit lokalen Interessensgruppen am 26.
Juli. Auf der Grundlage einer umfassenden Stadtanalyse und mit der
Leitfrage, wie deutsche Wasserexperten zur Verbesserung der
wasserwirtschaftlichen Situation in Coimbatore beitragen können,
identifizierte das Projetteam dabei zwei konkrete Themenfelder, die von
lokalen Akteuren aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft als
besonders wichtig eingeschätzt wurden. Sie können zugleich erste
Ansatzpunkte für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Deutschland
und Indien liefern: Ein integriertes semi-zentrales kommunales
Wassermanagement, das auch die Sektoren Energie und Ernährung
berücksichtigt, sowie Technologien, um die Wasserqualität von
gereinigtem Industrieabwasser, Oberflächengewässern und Grundwasser zu
überwachen sowie die Ergebnisse zu visualisieren.

Kommunales Wassermanagement: Semi-zentral und integriert

Wie in anderen schnell wachsenden indischen Städten fehlen auch in
Coimbatore Abwasserkanalisation und Kläranlagen: Nicht einmal 40 Prozent
des städtischen Abwassers wird zentral gesammelt; vielmehr wird der
Großteil der Abwässer unkontrolliert in Flüsse und Seen eingeleitet.
Doch wie können gangbare Lösungen aussehen? Da die Bevölkerung der Stadt
nach wie vor wächst und mit ihr der Verkehr auf Coimbatores Straßen,
ist es kommunalpolitisch problematisch, Hauptverkehrsadern und weitere
stark frequentierte Straßen aufzureißen, um Kanäle für die steigende
Abwasserfracht zu legen.

Einen sinnvollen Lösungsansatz liefern semi-zentrale Konzepte, in
denen die Abwässer von Quartieren, die etwa 5.000 bis 50.000 Einwohner
umfassen, gesammelt und gereinigt werden. Der Vorteil: Die
Leitungsquerschnitte für die benötigten Abwasserkanäle sind geringer,
Hauptverkehrsstraßen können ausgeklammert werden, viele kleinere
Abwasserreinigungsanlagen sind einfacher, schneller und kostengünstiger
zu realisieren als eine große Zentralkläranlage. »Darüber hinaus
erlauben modulare semi-zentrale Systeme, gleichzeitig mit dem Abwasser
organische Abfälle zu behandeln und aufbereitetes Wasser
wiederzuverwenden, beispielsweise zur Bewässerung von Grünanlagen oder
Straßenreinigung«, weiß Mohr.

 

System zur Überwachung der Wasserqualität

Die Renaturierung von Flüssen und Seen, in die jahrelang ungeklärtes
Abwasser eingeleitet wurde, ist oberstes Gebot und wurde im Rahmen der
Förderung im »100 Smart Cities«-Programm der indischen Zentralregierung
beschlossen. Noch fehlt es jedoch an der Infrastruktur, die Ergebnisse
der Renaturierungsmaßnahmen zu analysieren und zu dokumentieren. Und wie
wird sichergestellt, dass Stadtteile oder Unternehmen nicht doch
unbehandeltes Abwasser einleiten?

»Die Stakeholder waren sich auch hier schnell einig, dass ein
Überwachungssystem für die Wasserqualität installiert werden muss, um
Erfolge bei der Wasseraufbereitung – aber auch Verstöße – verfolgen zu
können«, berichtet Mohr. Für ein solches System werden Sensoren für die
automatisierte Erfassung der wichtigsten physikalischen, chemischen und
biologischen Parameter der Wasserqualität an kritischen Einleitstellen
und ein zentrales Labor zur qualitätsgesicherten Analyse weiterer Proben
benötigt. Die Vernetzung, Auswertung und Bereitstellung der
Informationen ist dann durch entsprechende IT-Lösungen zu gewährleisten.
Werden Echtzeitdaten mittels GIS-gestützter Systeme verknüpft und für
alle zugänglich veröffentlicht, kann dies eine gesicherte Grundlage für
weitere städtische Investitionsentscheidungen liefern und die notwendige
Transparenz verbessern.

Technologien für die industrielle Abwasserreinigung in den
Unternehmen, obschon neben den Kommunen weiterer maßgeblicher
Verursacher von verschmutztem Grund- und Oberflächenwasser, sind aus
Sicht aller lokalen Akteure dagegen durchaus vorhanden und – in der
Nachbarstadt Tiruppur beispielsweise – auch erfolgreich im Betrieb. Es
hapert hier vielmehr an der Durchsetzung der bestehenden Regelungen.
Überwachungssysteme und damit eine größere Transparenz würden den Druck
auf alle Beteiligten erhöhen, die Gesetze zu befolgen.

Informationen und Kontakt

Erste Skizzen für den Water Innovation Hub und die geplanten Projekte sind hier zu finden: www.igb.fraunhofer.de/swfi.

Hintergrund: Smart City Coimbatore

Mit 1,7 Millionen Einwohnern auf 257 Quadratkilometern ist Coimbatore
eine der über 50 typischen von der Industrie geprägten Millionenstädte
Indiens. Schätzungen gehen davon aus, dass die Bevölkerung in den
kommenden 30 Jahren um eine weitere Million Menschen wachsen wird. Die
Sicherung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist eines der
dringendsten Probleme der Stadt.

Im Rahmen der deutsch-indischen Zusammenarbeit unterstützt
Deutschland Coimbatore, das von der indischen Zentralregierung für das
»100 Smart Cities«-Programm ausgewählt wurde, bei der Umsetzung ihrer
Smart-City-Pläne.