Darmkrebs im Tierversuch unterdrückt

Darmkrebs zu verhindern?
Nachweis im Tiermodell geglückt
 
19.10.2004. An der Kieler Universität wurde ein Protein geschaffen, das
bei Mäusen gegen Darmkrebs vorbeugt. Einer Forschergruppe um den Kieler
Biochemiker Professor Stefan Rose-John und Professor Markus F. Neurath,
Universitätsklinikum Mainz, gelang jetzt der Nachweis, dass das Protein
die krebsauslösende Signalgebung des Botenstoffs Interleukin-6 (IL-6)
unterdrückt. Die neuen Ergebnisse resultieren auf Eingriffen in die
TGF-ß Signalübertragung auf der Körperzelle und werden in der
renommierten amerikanischen Fachzeitschrift „Immunity“ (Ausgabe vom 20.
Oktober) beschrieben. Die Kieler Firma „Conaris“ wird den neuen Stoff
zu einem anwendungsfähigen Medikament entwickeln.
 
Zur Forschung
Bereits 2003 konnten Stefan Rose-John und Markus F. Neurath im
Tiermodell belegen, dass das von Rose-John geschaffene, lösliche
Glycoprotein (sgp 130 Fc) chronische Entzündungen wie Gelenkrheuma
(Arthritis) sowie Darmentzündung verhindert, indem es das Signal des
Botenstoffs IL-6 auf der Zelloberfläche „abschaltet“.
 
Da das Zytokin Interleukin-6 eine wichtige Rolle in der Immunabwehr
spielt und im Organismus benötigt wird, sollte man diesen Botenstoff
nicht völlig blockieren. Es wurde vielmehr ein Mechanismus benötigt,
der nur in bestimmten Fällen, nämlich beim Auslösen chronischer
Entzündungen, hemmend wirkt und so das ebenfalls von Rose-John
entdeckte „trans-signaling“ verhindert. Die entscheidende Entwicklung
lag in der Veränderung des Zytokinrezeptors gp 130. Das neue, von
Rose-John erfundene sgp 130 Fc hemmt nur die Botentätigkeit von IL-6 in
den gewünschten Fällen.
 
Bereits 2001 war es Rose-John gelungen, die Architektur des
Zytokinrezeptorkomplexes zu entschlüsseln. Das in der Zeitschrift
„Science“ am 16. März 2001 vorgestellte Ergebnis war bereits damals als
„Meilenstein in der Erforschung des Immunsystems bezeichnet worden“.
 
Der biomedizinische und molekularbiologische Bereich ist an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel besonders profiliert. Die
vorgestellte Arbeit entstand im Zusammenhang mit dem
Sonderforschungsbereich (SFB) 415 „Spezifität und Pathophysiologie von
Signaltransduktionswegen“, in dem Mediziner und Biologen schon über
Jahre erfolgreich zusammenarbeiten. Entzündliche Prozesse im weitesten
Sinn werden in vielen Kieler Gruppen erforscht. Gerade die
interdisziplinäre Struktur der CAU bietet gute Voraussetzungen für die
Beantwortung derart komplexer Fragestellungen. Auch der 2002
eingerichtete Sonderforschungsbereich 617 „Molekulare Mechanismen der
epithelialen Abwehr“ widmet sich entzündlichen Vorgängen.
 
Zur Anwendung
In weiteren fünf bis acht Jahren planen Rose-John und Professor Stefan
Schreiber, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, das
Designer-Protein sgp 130 Fc zur Marktreife zu bringen. Die 2001
gemeinsam gegründete Firma „Conaris“ widmet sich der Produktentwicklung.
 
Die neusten Ergebnisse belegen gleichzeitig ein weiteres Mal, welch
wichtige Rolle Entzündungsvorgänge zur Erforschung und Behandlung von
Krankheiten spielen. „Langfristig wird man auch Alzheimer und
Herzinfarkt als Entzündungsvorgänge entschlüsseln können“, so
Rose-John. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir dort ähnliche
Mechanismen finden und auf ähnliche Weise vorbeugend arbeiten können.
Wir haben nun eine klare Spur, wie wir Störungen des Immunsystems
beeinflussen können.“
 
Für Medikamente, die nun von Conaris zu entwickeln sind, bietet sich
damit ein Milliardenmarkt. „Wir wollen jedoch hier keinen Börsen-Hype
betreiben“, so die beiden Professoren und Firmenchefs. Gesundes
wirtschaftliches Wachstum entstehe in diesem Markt nur durch gründliche
Forschung. Was den Patienten am besten diene, werde sich langfristig
auch am besten wirtschaftlich behaupten.
 
„Diese Verzahnung von Grundlagenforschung und Anwendung bringt eine
ganz neue Qualität des wissenschaftlichen Arbeitens“, so Stefan
Schreiber. „Sie resultiert in Kiel auch aus dem hervorragend
funktionierenden kollegialen Miteinander.“