Mit dem heutigen (24.01.2019) Start
der „Field Labs“ beginnt beim EU-Projekt TITANIUM die Praxisphase:
Mehrere Monate testen ausgewählte europäische Polizeibehörden neue
Software zur besseren Bekämpfung von Kriminalität im Darknet.
Ansatzpunkt sind die Kryptowährungen als das gängige Zahlungsmittel bei
anonymisierten illegalen Cyberaktivitäten. Zu den 15 Partnern des
Projekts gehört das Karlsruher Institut für Technologie (KIT); sein
Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft (ZAR) steht für die
Rechtskonformität der in TITANIUM entwickelten Instrumente.
Das Darknet – jener Teil des Internets, in
dem die Nutzer ihre Identität mittels spezieller Browser und Netzwerke
wirksam verschleiern – gilt als eine Zone des Zwielichts: Einerseits
kann es dort, wo öffentliche Debatten unterdrückt werden, ein Schutzraum
für die freie Meinungsäußerung sein. Andererseits bietet es nachgerade
ideale Bedingungen für schwerwiegende kriminelle Aktivitäten, etwa
Waffen- und Drogenhandel, Kinderpornografie und Auftragsstraftaten. Für
Polizei und Justiz ist die Aufdeckung solcher Taten eine enorme
Herausforderung.
Hier setzt das von der Europäischen
Kommission aufgelegte Forschungs- und Entwicklungsprojekt TITANIUM (kurz
für: Tools for the Investigation of Transactions in Underground
Markets) an. In TITANIUM, das vom Austrian Institute of Technology (AIT)
koordiniert wird, arbeiten 15 Forschungseinrichtungen, IT-Unternehmen
und Polizeibehörden aus sieben europäischen Ländern daran, neue
forensische Technologien zur Ermittlung und Erforschung von
Cyberkriminalität im Darknet zu entwickeln. Auf deutscher Seite wirken
das Bundeskriminalamt, das KIT sowie die dence GmbH mit. Ziel des im Mai
2017 gestarteten, dreijährigen Projekts ist die Entwicklung von
Software zur Unterstützung polizeilicher Ermittlungen im Darknet. Im
Fokus steht die Abwicklung krimineller Geschäfte mithilfe
blockchainbasierter Kryptowährungen wie Bitcoin, ZCash oder Monero. Hier
entwickeln die TITANIUM-Partner Software zur Unterstützung elementarer
Ermittlungsschritte, die es ermöglichen sollen, gerichtsfestes
Beweismaterial zu generieren. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der
Analyse von Darknet-Plattformen, die für illegale Aktivitäten genutzt
werden.
Im Zusammenhang von TITANIUM stellt das
Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft (ZAR) des KIT sicher, dass die
rechtlichen und ethischen Vorgaben eingehalten werden – sowohl im
Kontext von Forschung und Entwicklung als auch operativ, das heißt im
Einsatz bei den Polizeibehörden. „Bei der Entwicklung von Software
erweist es sich als zunehmend wichtig, komplexe rechtliche Vorgaben
frühzeitig auf technischer Ebene umzusetzen, etwa in Form der ‚Privacy
by Design‘. Datenschutzaspekte müssen dabei schon bei der
Grundkonzeption von Software bedacht und implementiert werden“, sagt
Professorin Franziska Boehm, Leiterin der ZAR-Forschungsgruppe
Informationsrecht für technische Systeme und Rechtsinformatik sowie
Bereichsleiterin Immaterialgüterrechte am FIZ Karlsruhe –
Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur. Dies erfordere eine
tiefgreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit, die neben rechtlichem
Fachwissen ein umfassendes technisches Verständnis und herausragende
Englischkenntnisse der juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
voraussetze. „Am ZAR werden diese Kompetenzen effektiv gebündelt, sodass
sie in wichtige internationale Projekte wie TITANIUM eingebracht werden
können“, so Boehm.
Über die gesamte Spanne des Projekts steuert
und evaluiert das ZAR-Team – in Zusammenarbeit mit dem
Bundeskriminalamt, Interpol, der Trilateral Research Ltd. sowie der
Universität Innsbruck – die rechtlich-ethische Dimension der neuen
Ermittlungssoftware. Da die Verarbeitung von Darknet-Daten regelmäßig
einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstellt, ist es
entscheidend, dass ein solcher nur in begründeten Fällen und auf Basis
einer Rechtsgrundlage erfolgt, wie der Projektkoordinator am KIT Thilo
Gottschalk vom ZAR erläutert. „Die TITANIUM-Tools“, so Gottschalk,
„beinhalten vielfältige Schutzmaßnahmen, um eine angemessene und
rechtmäßige Datenverarbeitung zu garantieren.“ Neben der Analyse der
rechtlichen Vorgaben steht das KIT im Rahmen eines „Privacy Impact
Assessment Plus“ dabei auch in Kontakt mit unterschiedlichen
Interessengruppen um auch Außensichten auf Risiken und Bedenken effektiv
in die Entwicklung einzubeziehen.
Erste Versionen der TITANIUM-Software werden
den Polizeibehörden ab dem 24. Januar 2019 zu Testzwecken zur Verfügung
gestellt. In mehrmonatigen „Field Labs“ in Deutschland, Finnland,
Österreich und Spanien sollen rund 60 Cybercrime-Experten über die
Entwicklungen aus dem Projekt informiert und in den Umgang mit den neuen
Programmen eingeführt werden. Das Projektteam stellt dabei in rechtlich
kritischen Bereichen auch synthetische, das heißt künstlich generierte,
Daten zur Verfügung, sodass es keinesfalls zu ungerechtfertigten
Eingriffen in die Grundrechte der Betroffenen kommen kann. Von der
polizeilichen Erprobung erhoffen sich die TITANIUM-Partner wertvolle
Rückmeldungen zur Bedienbarkeit, Funktionalität und Effizienz der
Software. Eine zweite Field-Lab-Phase zur Erprobung weiterer Software
ist für Ende 2019 angesetzt. Auch in diese Praxisphasen ist das Team des
ZAR eingebunden, um die Einhaltung internationaler wie
länderspezifischer Rechtsvorgaben zu überwachen und auf technischer
Ebene festzuschreiben
Weiterführende Informationen zu TITANIUM: