Cholesterinsenkung durch Hemmung der PCSK9-Bildung in der Leber


Über 20 Jahre leitete der renommierte Wissenschaftler und Mediziner
Prof. Dr. Raimund Erbel erfolgreich die Klinik für Kardiologie am
Universitätsklinikum Essen.

Hier sein Kommentar zum untenstehenden Artikel.

Lieber Jean Pütz,

haben wir schon
sehr intensiv diskutiert. Tatsache ist, wir haben eine Alternative zu
Statinen und der Bundesausschuß hat das Medikament schon vor der
Veröffentlichung der Studie zugelassen. Wichtig ist, dass jetzt
Zielwerte erreicht werden können in einer größeren Zahl von Patienten
als bisher.

LDL soll unter 70
mg/dl, da dann erst eine Regression erreicht wird. Manchen Patienten ist
es lieber alle 2 Wochen eine Injektion zu erhalten als täglich eine
Pille zu nehmen.

Werte des LDL unter 30 mg/dl sind keine Seltenheit mehr.

Zusätzlich wurde
die EBBINGHAUS Studie veröffentlicht, die alle Sorgen ausräumt, die
darin bestanden, dass möglicherweise kognitive Störungen auftreten
könnten. Alles ausgeschlossen. Wirkung nicht unterschiedlich von
Placebo.

Ein großer
Fortschritt und am Horizont eine weitergehende Therapie, die die Bildung
des PCSK9 verhindert und nur noch alle 3 Monate gegeben werden muss.
Studien laufen, sind bisher sehr vielversprechend.

Schöne Grüße

Ihr

Raimund Erbel


Cholesterinsenkung durch Hemmung der PCSK9-Bildung in der Leber: Daten aus Phase 2 der ORION-1-Studie

Bochum, 28. März 2017:

Im DGE-Blog wurde am 19. Oktober 2016 über die Phase 1 einer Studie
zur Cholesterinsenkung mit einer gentechnisch hergestellten Substanz
berichtet (durch die „siRNA-Technologie“, small interfering RNA, =
kleine eingreifende RNA, Details zu diesem „gene silencing“ siehe Lit.
1). Durch diese Substanz (Inclisiran)  ließen
sich die Spiegel des in der Leber gebildeten PCSK9 um 70% und die
LDL-Spiegel um 40% senken (1). Jetzt wurden während des Kongresses des
American College of Cardiology in Washington, D.C.  am 17. März 2017,
zeitgleich im New England Journal of Medicine online publiziert (2), 
die Phase 2 – Daten dieser ORION-1 –  Studie berichtet. Die schon auf
dem Markt erhältlichen und klinisch eingesetzten PCSK9-Antikörper Evolocumab
(Repatha®, FOURIER-Studie) und Alirocumab (Praluent®, ODYSSEY-Studien)
binden das die LDL-Rezeptoren abbauende zirkulierende PCSK9  und senken
dadurch das LDL-Cholesterin. Mit der siRNA-Technologie wird  PCSK9 durch Hemmung der Synthese dieses Enzyms am
Entstehungsort in der Leber abgesenkt, ebenfalls mit der Folge einer
LDL-Cholesterinverminderung. In der Phase-2 – Dosisfindungsstudie
ORION-1 wurde durch Inclisiran nach ein- oder zweimalige Injektion eine
180 Tage anhaltende Reduktion von PCSK9 und  LDL-Cholesterin erzielt.

Es wurden bei 497 Patienten in 8 Gruppen nach Injektion von
Inclisiran in steigenden Dosen oder von Plazebo (entweder 1x am ersten
Tag oder 2x an Tag 1 und 90) die Spiegel von PCSK9 und von LDL 180 Tage
lang gemessen.  Die Patienten mussten zu Beginn bei bestehender
atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung ein LDL >70 mg/dl (1.8
mmol/l), sonst von  >100 mg/dl (2.6 mmol/l) aufweisen. Alle Patienten
mussten eine maximal mögliche Statindosis mit oder ohne zusätzliche
hypolipidämische Behandlung für mindestens 30 Tage in stabiler Dosierung
haben. Der primäre Endpunkt war die Reduktion des LDL-Cholesterins  nach 180 Tagen und auch des PCSK9-Spiegels.

Ergebnisse: Nach einmaliger Injektion von Inclisiran betrug die LDL-Abnahme 27.9% bis 41.9%, unter Plazebo fand sich ein Anstieg von 2.1%. Nach
zwei Inclisiran-Dosen fiel LDL am 90. Tag um 34.2% bis 44.1%, am Tag 120
um 41.9% bis 56.6%, und am 180. Tag um 35.5% bis 52.6%. Die PCSK9-Spiegel nahmen prozentual noch wesentlich stärker ab. Als optimale Dosierung
erwiesen sich 2x 300 mg Inclisiran. Alle Patienten waren Responder, mit
einem Maximum von -81%.

Nebenwirkungen: Als „nicht mild“ oder
„mäßig“ eingestufte Nebenwirkungen wurden unter Inclisiran in 11%, unter
Plazebo in 8% beobachtet. Reaktionen an der Injektionsstelle traten bei
einmaliger Injektion in 4%, bei zweimaliger Gabe in 7% auf, unter
Plazebo bei keinem Patienten.  Es wurden auch – passagere –
Transaminasenanstiege registriert. Zweimal kam es zu Todesfällen: bei
einem Patienten nach einmaliger Injektion von 500 mg Inclisiran zu einem
Herzstillstand und bei einem weiteren nach 2x 200 mg, der während der
Studie an einem Thoraxaortenaneurysma operiert wurde.

Kommentar:

Sollte Inclisiran erfolgreich die Phase 3 – Studien durchlaufen und
zugelassen werden, so wäre dies ein großer Vorteil gegen über den
bisherigen LDL-senkenden Therapieformen, da es wohl nur alle 6 Monate
injiziert werden müsste.  Die Therapietreue nimmt bei Statinen mit
täglicher Tabletteneinnahme rasch beträchtlich ab. Die monoklonalen
PCSK9-Antikörper Evolocumab und Alirocumab wiederum müssen  mindestens
12x im Jahr injiziert werden. Wie lange der LDL-senkende Effekt von
Inclisiran anhalten wird, ob Inclisiran sicher ist und vor allem, ob
sich mit dieser Substanz das  kardiovaskuläre Risiko verringert, werden
zukünftige Studien zeigen müssen.

Helmut Schatz