In der „Hobbythek“ erklärte er, wie Käse hergestellt und wie Bier
gebraut wird. Ganze Generationen wuchsen mit seinen Erklärungen
wissenschaftlicher Phänomene im Fernsehen auf. Dabei gelang ihm stets
der Spagat zwischen seriöser Information und lockerer Präsentation.
2001 zog sich Jean Pütz, inzwischen 65 Jahre alt, langsam aus den von
ihm geprägten Formaten zurück. Dennoch ist er immer noch gern gesehener
Gast in vielen Sendungen. Gerechtigkeit ist für ihn ein hoher Wert; mit
der Firma „Transfair“ setzt er sich für bessere Handelsbedingungen mit
der Dritten Welt ein. Selbst schon Großvater bekam er 1999 noch einen
kleinen Sohn.
Sind Sie der Ersatzvater, der den Kindern vor dem Bildschirm die Welt zeigt?
Überhaupt nicht. Ich bin angetreten, um Erwachsenen das zu erklären,
was sie in ihrem Umfeld nicht verstehen. Das ist ein demokratisches
Anliegen. Nur wer begreift, was um ihn herum geschieht, kann Demokrat
sein. Es begann mit den Themen Energie und Halbleitertechnik.
Sie verbinden Wissenschaft immer mit ethischen Fragen. Warum?
Ich hab als Kind den Krieg erlebt, verbunden mit schrecklichen
Erlebnissen. Eigentlich wohnte unsere Familie in Luxemburg. Wir
besuchten Köln nur in den Ferien, waren zufällig beim größten
Luftangriff auf diese Stadt 1943 mitten drin. Ich war sieben Jahre alt.
Von 60 Leuten sind nur wir nur zu fünft lebend aus unserem
Keller raus geklettert. Vor ein paar Wochen, ich dachte, ich hätte all
das vergessen, hab ich meiner Frau „Die Glocke“ von Schiller
vorgelesen: „In den leeren Fensterhöhlen wohnt das Grauen und des
Himmels Wolken schauen tief hinein.“ Ich sah eine Frau mit blau-weiß
gepunktetem Kleid, die da leblos lag. „Der Vater zählt die Häupter
seiner Lieben, und seht, es fehlt kein einzig Haupt.“ Das konnte auch
mein Vater an jenem Tag sagen. Da sind mir beim Vorlesen die Tränen
gekommen. Ich hab geheult wie ein Schoßhund. Damals gab’s noch keinen
psychologischen Dienst.
Wie war Ihr Vater?
Wunderbar. Obwohl mein Vater ein leidenschaftlicher Mensch war, hat er
sich von meiner Mutter nie getrennt, vor allem, weil er so sehr an
seinen Kindern hing. Nach der Geburt meiner Schwester 1948 stellte
meine streng gläubige Mutter die körperliche Liebe ein. Mein Vater war
da gerade mal 45 Jahre. Ich kann das heute umso mehr bewerten, als dass
meine eigentliche Sexualität so richtig erst nach meinem vierzigsten
Lebensjahr entbrannte. Intime, emotional nahe Liebe erlebte ich also
sehr spät. Als junger Mensch war ich eher Jäger und Sammler. Auf das
alles hat mein Vater verzichtet, wegen der Kinder. Als ich Karriere
gemacht hab, sagte er immer: „Die Leute mögen Dich für ein Genie
halten, für mich bist Du unser Jean, bild Dir nichts ein, nur weil Du
elektronisch vervielfältigt wirst.“ Das hab ich mir hinter die Ohren
geschrieben. Übrigens, meine heutige Frau hat die gleiche Einstellung
und dafür bin ich Ihr dankbar.
Ihre dritte Frau.
Ja. In meiner ersten Ehe verstand ich mich nicht mit dem
Schwiegervater. Ein alter Nazi. Als unsere Auseinandersetzungen immer
schlimmer wurden, hatten wir unsere erste fundamentale Ehekrise.
Ich hab mich mit ihr später aber wieder versöhnt, auch das war Liebe.
Mein Sohn aus dieser Ehe ist mittlerweile Professor der Biochemie in
Strassburg. Ich habe immer versucht, ihn für Naturwissenschaften zu
interessieren, hab trotzdem ein schlechtes Gewissen, weil ich im Aufbau
meiner Karriere zu wenig Zeit für ihn hatte.
Damals ging’s dann auch mit Ihrer Ehe bergab.
Jeder lebte in seiner eigenen Welt. Und meine war eine wilde, von Sturm
und Drang getrieben, allerdings nie auf Kosten meiner jeweiligen
Partnerinnen. Als AIDS kam, war für mich diese Zeit vorbei. Die zweite
Ehe war aber eine Dummheit, sie war nicht nötig. Bei meiner zweiten
Frau ging es zum Schluss nur noch ums Geld.
Und dann?
Eines Tages lud mich ein betuchter Freund mit meiner damaligen
Frau zu einem großen Fest nach Sylt ein, um sein neues reetgedecktes
Haus einzuweihen. Es wurde gefeiert, dass sich die Balken bogen. Er
hatte eine orientalische Tänzerin engagiert, die mir wie ein Traum
erschien. Plötzlich nahm ich mir ein Herz und ging in die Backstage,
hab ich mich neben sie gesetzt, und sie gefragt ob wir nicht unsere
Adressen tauschen könnten. Gott sei Dank kannte Sie mich nicht, denn
sie war eine in Deutschland lebende Italienerin, die als
Krankenschwester und zweifache Mutter keine Zeit hatte, sich vor die
Glotze zu setzen.
Also zurück zu den wilden Zeiten?
Nein, aber Leidenschaft kam dann doch sehr schnell auf. Daraus wurde
bald die große Liebe. Irgendwann, aus heiterem Himmel hat Pina
mir gesagt, dass sie ein Kind von mir möchte. Wir haben’s umgehend
umgesetzt. So wurde unser Schatz mein erstes Wunschkind. Vor drei
Monaten haben wir geheiratet. Wenn ich sie früher kennen gelernt hätte,
hätte ich keine anderen Ehen führen müssen, und mit ihren beiden andern
Kinder wurde es fast eine italienische Großfamilie, herrlich.
Wissen Ihre Kinder, dass Sie der berühmte Jean Pütz sind?
Die Kinder sollen ihren Vater nicht bewundern, tun sie auch nicht. Ein
einziges Mal entwickelten sie richtigen Respekt. Ich habe bei der
Synchronisation vom Film „Findet Nemo“ mitgewirkt. Ich sprach den
Lehrer, den Rochen. Ich musste sogar singen. Da kam echte Bewunderung
auf, aber mein kleiner Jean konnte später die Lieder des Rochens besser
interpretieren als ich.
Sie sind kein besonders junger Vater. Wie reagiert die Umgebung darauf?
Das ist mir egal. Meine Mutter sagte immer, weil wir im luxemburgischen
Moselstädtchen Remich einen Laden hatten: „Sei freundlich zu den
Kunden.“ Das leuchtete mir ein, aber dass sie dann stets nachhackte und
meinte, „mach’s wie die Leute, dann geht’s dir wie den Leuten“, das
brachte mich in Rage, genau das wollte ich nicht. Ich wurde und bin ein
Antizykliker lebenslang geblieben, manchmal auch ein Rebell, der sich
nicht viel gefallen lässt.
Mit dem von Umweltministerin Renate Künast ernannten „Botschafter der Berge“ sprach Lutz Debus.