Bauchchirurgie mittels minimalinvasive Operationen

In der Bauchchirurgie haben minimalinvasive Operationen viele Vorteile

Berlin
– Weniger Wundinfektionen, geringere Schmerzen, kürzere
Krankenhausaufenthalte, schnellere Rückkehr in den Alltag: Bei vielen
minimalinvasiven Eingriffen im Bauchraum belegen Studien und
Metaanalysen heute Vorteile für die Patienten. Das stellt die Deutsche
Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) in einem aktuellen Beitrag in der
„Chirurgischen Allgemeinen“ klar. Gallenblasen- und
Blinddarm-operationen sowie mittlerweile mehr als ein Drittel aller
Leistenbruchoperationen werden daher in Deutschland mit kleinen
Schnitten in sogenannter laparoskopischer Technik operiert.

Früher
hinterließen Bauchoperationen eine mehr oder weniger lange, sichtbare
Narbe. Für die Entfernung der Gallenblase mussten Chirurgen
beispielsweise den Bauch weiträumig mit einem größeren Schnitt öffnen.
Heute erfolgt die Operation über drei oder vier kleine Hautschnitte mit
Spezialinstrumenten. Die Bauchhöhle wird mit Gas gefüllt, der Arzt
operiert unter Sicht einer Videokamera, und es verbleiben kaum
erkennbare winzige Narben. Die minimalinvasive Operationstechnik hat
sich vor mehr als zwanzig Jahren bei der Entfernung der Gallenblase
durchgesetzt, und gilt heute als Standard. „Die Leitlinien empfehlen sie
seit Mitte der 1990er Jahre als bevorzugte
Operationsvariante,
weil sich die Patienten schneller erholen und früher entlassen werden
können“, berichtet Professor Dr. med. Matthias Anthuber, ab Juli 2018
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und Chefarzt der
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am
Klinikum Augsburg. In Deutschland werden zwischen 92 und 98 Prozent
aller Gallenblasen minimalinvasiv entfernt.

Auch bei Blinddarmoperationen ist der minimalinvasive Eingriff heute international Standard. „Die Patienten haben nach der Operation weniger Schmerzen, es kommt seltener zu Wundinfektionen, sie können
früher nach Hause und schneller wieder in die Schule oder an den
Arbeitsplatz zurückkehren“, sagt der angehende
DGCH-Präsident
Matthias Anthuber. Er verweist auf eine im vergangenen Jahr
veröffentliche Meta-Analyse, die die Ergebnisse aus 32 Studien mit 3.642
Patienten zusammenfasst: „Die laparoskopische Appendektomie schnitt
dort in allen Bereichen besser ab“, ergänzt Professor Dr. med. Dr. h.c.
Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär der DGCH.

So
erfolgen in Deutschland bereits 55 bis 70 Prozent aller
Blinddarm-operationen laparoskopisch. „Erfahrene Chirurgen setzen die
Methode mittlerweile selbst bei komplizierten Fällen, etwa einem
durchgebrochenen Blinddarm, ein“, berichtet Meyer. Auch dafür gibt es
eine Empfehlung in den Leitlinien der internationalen
Fachgesellschaften. Es muss allerdings die entsprechende Ausstattung in
der Klinik vorhanden sein. Und noch viel wichtiger: Der Chirurg muss
über ausreichend Erfahrung mit der Operationstechnik verfügen und die
Lernkurve in strukturierten Trainingsprogrammen hinter sich gelassen
haben. „Das gilt ausnahmslos für alle minimalinvasiven Eingriffe“,
betont Anthuber.

Den
Leistenbruch operieren Chirurgen mittlerweile in 20 bis 40 Prozent der
Fälle minimalinvasiv. Hier sollte der Chirurg entsprechend der
individuellen Situation des Patienten entscheiden. „Bei Frauen mit
beidseitigem Leistenbruch, bei jüngeren Patienten oder bei einem
Zweiteingriff nach vorausgegangener Operation in konventioneller,
offener Technik ist die minimalinvasive Technik vorteilhaft“, betont
Anthuber. Eine Klinik sollte heute daher beide Verfahren anbieten und
das Vorgehen der individuellen Patientensituation anpassen.

Bei Operationen
zur Behandlung der Fettleibigkeit, bei denen Teile des Magens entfernt
oder ein Magenbypass angelegt wird, setzen die Ärzte seit circa 20
Jahren konsequent auf die minimalinvasive OP-Technik. Dies ist für die
massiv übergewichtigen Patienten deutlich schonender. Der Anteil der
laparosko-pischen
Operationen
in der Adipositas-Chirurgie liegt in Deutschland bei 97 Prozent. „Diese
Eingriffe haben sich gerade bei diesen sehr speziellen Patienten mit
häufigen, auch schwerwiegenden Begleiterkrankungen bewährt. Allerdings
sollten diese Eingriffe nur spezielle adipositaschirurgische Zentren
vornehmen“, betonen Anthuber und Meyer.

Gehäuft
wenden Chirurgen die minimal-invasive Operationstechnik auch bei
Darmkrebs an. In hochwertigen Studien konnten Vorteile im frühen Verlauf
nach der Operation nachgewiesen werden. Auch im Langzeitverlauf gab es
keine Nachteile wie Tumorrückfall oder eine erhöhte tumorbedingte
Sterblichkeit. „Der Erfolg der
Operation hängt jedoch gerade bei Tumordiagnosen von der technischen Expertise
und Erfahrung des Chirurgen ab. Es darf nicht ein minimales Abweichen
von chirurgischen Standards geben, wie sie in der offenen OP-Technik für
die Entfernung des Primärtumors und der begleitenden Lymphknoten
erarbeitet wurden “, erläutern Anthuber und Meyer.

Chirurgen
orientieren sich bei der Wahl des Operationsverfahren an durch
wissenschaftliche Studien systematisch entwickelte Empfehlungen.
„Voraussetzung für die Anwendung ist jedoch nicht allein die
wissenschaftliche Erkenntnis, sondern auch die Fähigkeit des Chirurgen
gemeinsam mit seinem Team eine minimal-invasive Operation fachgerecht
durchzuführen. Dies erfordert praktische Weiterbildung, Trainingskurse
und Begleitung durch bereits erfahrene Kollegen“, resümiert Anthuber.

Wie
gut die evidenzbasierten Empfehlungen im Klinikalltag umgesetzt werden,
zeigt das Bespiel NOTES. Bei dieser Technik nutzt der Chirurg
natürliche Körperöffnungen wie den Mund, den Enddarm, die Harnröhre bzw.
Blase oder bei der Frau die Scheide, um zum Operationsgebiet zu
gelangen ohne erkennbare äußere Narben zu hinterlassen. Hier konnten
Studien bislang jedoch keine Vorteile für den Patienten belegen,
weswegen NOTES-Verfahren bislang nicht Eingang in die klinische Routine
und auch nicht in Leitlinien gefunden haben. „Man darf jedoch gespannt
sein, ob in zukünftigen Studien für ausgewählte Indikationen Vorteile
bewiesen werden können“, betonen die Chirurgen Anthuber und Meyer. Sie
sind sich einig:

Narbenfreiheit darf niemals für ein sicheres Operationsverfahren geopfert werden.