Auch das noch: Biohacking für Privat???

Biohacking ist ein neuer Trend in der
Wissenschaftsszene. Den Gesetzgeber stellt dies vor neue
Herausforderungen. Das Gentechnikgesetz sei nicht mehr zeitgemäß, sagt
Dipl.-Biologe Rüdiger Trojok.

„Biotechnologie wird in Zukunft so alltäglich und
verbreitet sein wie heute die Computertechnik", sagt Rüdiger Trojok. Der
Biologe erforscht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Innovationsprozesse und Technikfolgen. Wie die Computerpioniere der
siebziger Jahre würden bald Bio-Nerds in Garagen und Souterrains an
Genen herumexperimentieren, so Trojoks Prognose. In Amerika ist das
wiederum in Anlehnung an die Computerszene sogenannte „Biohacking“
längst ein Trend. In Deutschland hingegen ist es Privatpersonen derzeit
nicht gestattet, gentechnische Veränderungen vorzunehmen.

In den USA kann sich schon heute Jedermann ein
Selbstmach-Set für biolumineszierendes Bier, erzeugt mithilfe
gentechnisch veränderter Bakterien, im Internet bestellen. Hierzulande
dagegen wird beim Gedanken, dass Do-it-yourself-Biologen bald zu Hause
an selbst erdachten Erbmolekülen herumtüfteln könnten, nicht nur
Biomaisgegnern mulmig. Gehören sechsbeinige Hunde im Park und
selbstoptimierte Supermutanten im Sportstudio bald zum Alltag?

Trojok, der am Institut für
Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT arbeitet und
auch den Bundestag bei der Einschätzung neuer Technologien berät,
wiegelt ab: Zwar koste ein gentechnisches Labor einzurichten inzwischen
nur noch 5000 Euro und stehe mit der CRISPR/Cas-Methode ein einfaches
Verfahren zur Verfügung, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern.
„Eigenständige Experimente erfordern aber noch ein fundiertes Fachwissen
und langwierige wie akkurate Vorbereitungen.“ Mal eben zum Spaß ein
paar Gene auch nur von Bakterien zu verändern oder gar Organismen mit
völlig neuen Eigenschaften zu kreieren sei für Hobby-Biologen deshalb
schwierig bis unmöglich – für den Moment.

Infolge weiter sinkender Preise, immer einfacherer
Verfahren und Labortechnik nicht größer als ein Computerchip, werde die
Gentechnik zukünftig der Kontrolle und dem exklusiven Zugriff
staatlicher Forschungseinrichtungen, Biotechnologieunternehmen und
Großkonzernen entgleiten, erwartet Trojok. Das im Jahr 1990 erlassene
Deutsche Gentechnikgesetz hält der Wissenschaftler deshalb für nicht
mehr zeitgemäß. Die Risiken der damals noch jungen Gentechnik seien
seinerzeit noch nicht abschätzbar gewesen, so der 31-Jährige. Deshalb
seien die Regelungen vorsichtshalber extrem streng ausgestaltet. Schon
für harmlose, heute tausendfach bewährte Versuche drohten drei Jahre
Haft.

„Das Recht auf Forschung ist zusammen mit der
Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit im Grundgesetz verankert“, sagt
Trojok. Der Wissenschaftler schlägt deshalb eine Art Stufenführerschein
für Privatforscher vor, damit jeder Zugang zu dem Wissen und der
Technologie bekommen könne. Wer mit dem Laborbaukasten harmlose
Bakterien bunt färben will, der solle dies tun dürfen. Ein
weitergehendes Verändern von Organismen hingegen wäre zum Beispiel nur
Genbastlern mit Biologiestudium erlaubt. „Wenn Sie heute eine
Fahrerlaubnis erwerben, bekommen Sie damit auch nicht gleich die
Zulassung für Schwerlaster“, sagt Trojok.

Momentan seien die rechtlichen Hürden für Biohacker
hoch, meint Trojok: So verlange der Gesetzgeber einen Betreiber und
einen Sicherheitsbeauftragten pro Gentechniklabor, die jeweils eine
spezielle Zulassung benötigten und drei Jahre Laborerfahrung vorweisen
müssen. Zudem gebe es eine große Zahl an baulichen Auflagen und
Dokumentationspflichten. „Diese Regel lässt sich angesichts der
technischen Möglichkeit, Gentechnik in einer dezentralisierten,
miniaturisierten Weise durchzuführen, kaum noch sinnvoll umsetzen.“

Praktikabler wäre, die Sicherheitsstufe 1 des
Gentechnikgesetzes weiter zu differenzieren, so Trojok. „Man kann aus
dieser Stufe bereits nach bestehendem Recht Experimente ausgliedern, die
etabliert sind und als sicher bewertet wurden – darunter würden auch
cisgenetische und bestimmte CRISPR-Experimente fallen.“ Solche sicheren
und bekannten transgenen Arbeiten müssten seiner Auffassung nach nicht
den strengen gesetzlichen Auflagen des Gentechnikgesetzes unterliegen
und sollten der Gesellschaft freigegeben werden, meint Trojok. Um diese
Experimente anzumelden, würde sich ein schnelles Online-Register
anbieten, in dem Bundes- oder besser sogar EU-weit legale Experimente
gesammelt werden.

Was für Folgen und Konsequenzen eine
demokratisierte und dezentrale Nutzung der Genombearbeitung in naher
Zukunft haben könnte, darüber diskutieren Nachwuchswissenschaftler der
Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Geistes- und
Rechtswissenschaften sowie Biohacker und auch Künstler auf Einladung von
KIT und ITAS auf einer Klausurwoche in München vom 12. bis 17. März.