26.03.2019 Antwort auf den Brief der Präsidenten der vier Forschungsorganisation an die Regierung

Sehr geehrte Kollegen von der Presse der vier Forschungsorganisationen,

die Forderung der Präsidenten der vier außeruniversitären Forschungsorganisationen unterstütze ich. Allerdings habe ich einen entscheidenden Verbesserungsvorschlag. Dabei frage ich mich, warum die Politiker noch nicht auf diese Idee gekommen sind.

Ich schlage vor, folgende Bereiche aus der notwendigen Schuldenbremse von 3% herauszunehmen und dafür die Grenze auf 2% zu reduzieren, und zwar gehören dazu unbedingt die für Deutschlands Zukunft entscheidenden Bereiche: Wissenschaft, Forschung, Bildung und Infrastruktur. Diese dürfen auf keinen Fall – auch in Zeiten von Rezessionen – gekürzt werden. Jeder Betrieb, sei er noch so klein, der die Zukunftsinvestitionen vernachlässigt, verliert recht bald seine Konkurrenzfähigkeit und wird insolvent. Ich halte die sogenannte ’schwarze Null‘ für notwendig, aber welchen Schaden sie angerichtet hat, sieht man nicht nur in der Bildung mit dem Lehrermangel und den maroden Schulgebäuden, sondern auch in der Infrastruktur was Straßen- und Brücken-Erhaltung und -Neubau anbelangt, sondern auch im Schienennetz der Bahn und der mangelnden Breitband-Versorgung im IT-Bereich. Gleiches gilt für Aufgaben in der Forschung und Wissenschaft.

Was Bildung anbelangt, so bin ich ein persönliches Beispiel: Ich machte in den 50er Jahren eine Lehre als Elektromechaniker – heute Mechatroniker genannt – mit Abschluss Gesellenprüfung, arbeitete anderthalb Jahre in einem Eisenhüttenwerk, beides  in Luxemburg. Nach einer Sonderbegabtenprüfung absolvierte ich ein Studium zum Dipl.-Ingenieur für Energie- und Nachrichtentechnik, nach einem Externen-Abitur ein Doppelstudium an der Universität zu Köln als Lehrer für Mathematik und Physik mit 1. und 2. Staatsexamen für das Lehramt und parallel dazu ein 8-jähriges Studium der empirischen Soziologie und Volkswirtschaft ebenfalls an der Universitä zu Köln.

Diese Studien wurden mir nur durch eine staatliche Förderung im Rahmen des Lastenausgleichs und Honnefer-Modell (Barfög) ermöglicht. Insgesamt erhielt ich 35.000 Mark.

Nach Beginn meiner Berufstätigkeit konnte ich in 5  Jahren in Form von Rückzahlung und Steuern meine Schulden begleichen. Seitdem erzielt der Deutsche Staat von mir durch Steuern eine Rendite von mindestens 500% auf die geförderte Summe. Das beweist meiner Ansicht nach, wie sehr sich Investitionen in die Bildung langfristig rentieren. Das gilt für alle drei anderen Bereiche.

Deshalb halte ich es für unbedingt notwendig, dass diese Bereiche aus dem Schuldenkanon herausgenommen werden, im Interesse der Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder.

Das schreibe ich nur, um ein Argument dafür zu liefern, wie katastrophal sich eine Einsparung auf diesem Gebiet auswirkt. Bitte teilen Sie das Ihren Präsidenten mit, vielleicht ist das ein Anstoß – insbesondere jetzt, wo sich eine Rezension anzubahnen scheint.

Diese Methode würde auch den ost- und südeuropäischen Staaten helfen, ihre Schuldenbremsen besser zu bewältigen. Denn dort sehe ich die Demokratie grundsätzlich in Gefahr. Wenn man bedenkt, dass z. b. im italienischen Apulien eine Jugendarbeitslosigkeit von über 40% herrscht im Gegensatz zu uns in Deutschland und in allen Staaten, in denen ein geniales duales Ausbildungssystem eingeführt wurde. Das in den Problem-Staaten zu initiieren, halte ich für unbedingt notwendig – auch in Anbetracht des Handwerkermangels, der sich in Europa immer mehr abzeichnet.

Ich hoffe, dass Ihre Präsidenten mit ihrer Beziehung zur Politik das in die Diskussion mit einbringen.

Ihr Jean Pütz