Gewitter: Blitze und Donner und ihre Entstehung

Was genau beim Ausbilden von Blitzen passiert, ist noch immer unklar. Ein internationales Forscherteam hat jetzt mittels hochauflösender Daten des Radioteleskops LOFAR nadelförmige Strukturen entdeckt, die Licht in die Entladungsprozesse bringen könnten. Wichtige Grundlagen für die Messung von Blitzen mit dem weltweit größten Antennen-Array wurden am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gelegt. Mit den bislang unbekannten Nadeln lässt sich möglicherweise erstmals erklären, warum ein Blitz sich nicht wie lange Zeit angenommen mit einem Mal entlädt – sondern binnen Sekunden mehrfach einschlägt. Seine Ergebnisse veröffentlicht das Team heute in der Fachzeitschrift Nature (DOI: 10.1038/s41586-019-1086-6).

Wenn in einer Gewitterwolke Eiskristalle gegeneinander prallen, laden sie sich elektrisch auf. Winde können die Kristalle trennen, sodass ein Teil der Wolke positiv, der andere negativ geladen ist. Wird das so entstehende elektrische Spannungsfeld zu groß, kommt es zu einer heftigen Entladung – die wir als Blitz und Donner wahrnehmen. Die Entladung beginnt mit einem kleinen Volumen von Luft, in dem Elektronen sich von den Luftmolekülen trennen. Diese ionisierte Luft, auch Plasma genannt, ist elektrisch leitend. Das Plasma breitet sich als verzweigte Kanäle aus, bis es auf die Erde trifft und sich die elektrische Spannung der Wolken als Blitz entlädt. Über die genauen Prozesse in diesen Kanälen bis hin zur jüngsten Entdeckung der „Blitznadeln“, geben hochauflösende, aus Radiosignalen von Blitzen abgeleitete Daten Aufschluss. Gemessen haben die Forscherinnen und Forscher sie mit dem niederländischen Radioteleskop LOFAR (steht für Low Frequency Array), an dem auch das KIT beteiligt ist.

Die aktuellen Beobachtungen des LOFAR-Forscherteams zeigen, dass positiv geladene Plasmakanäle sich bei der Entladung anders verhalten als negativ geladene. Der Grund hierfür sind offenbar nadelförmige Strukturen, die nun erstmals sichtbar werden: Sie führen senkrecht von den positiv geladenen Kanälen weg, sind rund 100 Meter lang und haben einen Durchmesser von weniger als fünf Metern. Die Wissenschaftler vermuten, dass Teile der Ladung eines positiven Plasmakanals nicht direkt in den Boden abfließen, sondern über die Nadeln in die Gewitterwolke zurückgehen und von dort erst bei späteren Entladungen abfließen. Dies würde erstmals erklären, warum ein Blitz sich nicht wie lange Zeit angenommen mit einem Mal entlädt, sondern binnen Sekunden mehrfach einschlägt.

„Dank der hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung von LOFAR können wir die Ausbildung von Blitzen in einer völlig neuen Größenordnung bis hinein in die primären Prozesse untersuchen“, erklärt Dr. Brian Hare von der Universität Groningen und Erstautor der Veröffentlichung im Fachjournal Nature. LOFAR besteht aus tausenden Antennen, die über Europa verteilt sind – ein Array, das in erster Linie für astronomische Beobachtungen entwickelt wurde, mit dem mittlerweile aber auch die kosmische Strahlung gemessen wird. Hierbei werden die in der Atmosphäre von den kosmischen Teilchen ausgelösten Signale an den einzelnen Antennen in Puffern zwischengespeichert und anschließend für verschiedene Analysen ausgelesen. „Diese am KIT vorangetriebene Technologie kommt nun auch bei der Messung und Speicherung von Radiosignalen zum Einsatz, die von Blitzen ausgehen“, erläutert Dr. Tim Huege vom Institut für Kernphysik des KIT und Mitglied des „LOFAR Cosmic Ray Key Science Projects“.

Bei den Blitzmessungen erlaubt LOFAR eine räumliche Genauigkeit von bis zu einem Meter und die Erfassung eines Signals pro Mikrosekunde. So entstehen hochauflösende 3D-Filme, die neue Erkenntnisse über die Entladung von Blitzen ermöglichen. Mit seinen Forschungen hat das KIT maßgeblich dazu beigetragen, dass Blitzbeobachtungen mit einer solchen Präzision möglich sind. Den Grundstein für die Messung kosmischer Teilchen und somit auch für eine detailliertere Erforschung von Blitzen legten Experimente mit dem digitalen Antennenfeld „LOPES“ (LOfar PrototypE Station), die bis 2013 im Rahmen der Forschungen auf dem Gelände des KIT als Teil des KASCADE-Grande-Teilchendetektorfelds liefen.