Handelskrieg gefährdet Regenwald

Im vergangenen Jahr belegten die USA Importe aus China mit Zöllen von bis zu 25 Prozent. Die chinesische Regierung reagierte ihrerseits mit Zöllen auf US-Waren von 25 Prozent, etwa auf Sojabohnen aus US-Produktion. Im Jahr 2018 führte die Auseinandersetzung zu einer Halbierung der US-Sojaexporte nach China  – obwohl der Handelskrieg erst Mitte des Jahres begonnen hatte. Ersatz könnte aus Brasilien kommen. Vor den dramatischen Auswirkungen, die das für den Regenwald dort haben könnte, warnen nun Experten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

„Wir befürchten großflächige Abholzungen in Brasilien als Folge des Handelskrieges. In der Vergangenheit hat die steigende globale Nachfrage nach Soja regelmäßig zu Waldrodungen im Amazonasgebiet geführt, um Platz für neue Anbauflächen zu schaffen. Im Jahr 2016 hat China 37,6 Millionen Tonnen Soja aus den USA importiert, die nun aus anderen Quellen bezogen werden müssen. Brasilien ist das einzige Land, das diese gewaltige Nachfrage kurzfristig decken könnte“, schlägt der Klimaforscher Richard Fuchs vom KIT vor. Alarm, der gemeinsam mit seinen Kollegen Calum Brown und Mark Rounsevell vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung, dem Campus Alpin des KIT, sowie weiteren europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die möglichen Auswirkungen untersucht hat und nun in einem Kommentar im Fachmagazin Nature vor den Folgen warnt.

Brasilien ist mit Abstand der wichtigste Produzent für Sojabohnen, gefolgt von den USA und Argentinien. Rund 90 weitere Länder – inklusive der heimischen Produktion in China – produzieren gerade etwa so viel wie Brasilien alleine. Im Zuge des US-China-Handelskrieges ist der Anteil von Sojaeinfuhren nach China aus Brasilien auf einen neuen Rekord angestiegen, 75 Prozent aller Sojaimporte Chinas kamen zuletzt aus Brasilien. Soja ist eine Kulturpflanze, die hauptsächlich als Tiernahrung in der Fleischindustrie verwendet wird, aber auch zunehmend zur Herstellung von Biokraftstoff genutzt wird.

„Nach unserer Einschätzung wird Brasilien nun versuchen, den zusätzlichen Bedarf Chinas zu decken. Dafür muss es die heutige Sojaanbaufläche um bis zu 39 Prozent vergrößern. Das würde einen Verlust von bis zu 13 Millionen Hektar Regenwald bedeuten, in etwa die Fläche Griechenlands“, so Fuchs. „Die bislang umfangreichsten Waldvernichtungen fanden 1995 und 2004 statt, als jeweils drei Millionen Hektar Regenwald verloren gingen. Nimmt man diese Raten zur Hand, bräuchte Brasilien nur etwa vier Jahre, um genug Anbauflächen für den Bedarf aus China zu schaffen. Wir fordern die Vereinigten Staaten und China dazu auf, ihre indirekte Verantwortung für diese drohende Abholzung anzuerkennen und sofort ihre Handelsvereinbarungen anzupassen, indem sie Soja von den Zöllen ausschließen.“

Neben einem raschen Gegensteuern der US-amerikanischen sowie der chinesischen Regierung – so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Kommentar – könnten auch einige weitere Maßnahmen dazu beitragen, den Druck auf den Amazonasregenwald zumindest teilweise zu verringern. So könnte China mehr Soja aus Argentinien oder der Europäischen Union kaufen und die Sojaproduzenten in diesen Anbaugebieten könnten sich gleichzeitig darum bemühen, ihre Ernten zu steigern. Allerdings müsste dann Europa zuerst seine Haltung zur Gentechnik überdenken, die derzeit einem großflächigen Anbau entgegensteht. Auch China sollte nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die eigene Produktion steigern.

Seit dem Jahr 2000 sank die Anbaufläche in China um etwa 25 Prozent, weil es günstiger war, Soja aus Brasilien und den USA zu importieren und weil die heimische Landwirtschaft unter falscher Bewirtschaftung durch zu hohe Düngung, Bodenerosion und Pestizideinsatz stark beschädigt wurde. Regierungen weltweit sollten außerdem dem Schutz des verbleibenden Amazonas-Regenwaldes eine höhere Priorität einräumen und entsprechend auf die brasilianische Regierung einwirken sowie Umweltschutzprogramme vor Ort unterstützen. Sollte dies nicht gelingen, würden ambitionierte Klimaschutz- und Biodiversitätsziele auf der Kippe stehen.

Um das Problem wirklich nachhaltig anzugehen, sieht Fuchs aber letztendlich nur eine Möglichkeit: „Der globale Fleischkonsum muss sinken. Eine solche Verhaltensänderung erreicht man unserer Ansicht nach allerdings nicht durch Apelle, Kampagnen oder Nachhaltigkeitszertifikate. Vielmehr müssen die ökologischen Folgekosten durch gesetzliche Vorgaben in Lebensmittel eingepreist werden. Auch Bioenergieprodukte wie Biodiesel müssen teurer werden.“

Doch viel Zeit bleibe der Weltgemeinschaft nicht mehr, um die Gefahr eines massiven Kahlschlags in Brasiliens Regenwäldern abzuwenden: „Regierungen, Produzenten, Regulierungsbehörden und Verbraucher müssen jetzt handeln. Wenn sie nichts tun, könnte der Amazonas-Regenwald das größte Opfer im Handelskrieg zwischen den USA und China werden.“